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1. November 2023: Drei Jahre nach dem “Nein” zur CityBahn: Rückblick, Kritik und Ausblick in die Zukunft

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Am 1. November 2020 fand die “CityBahn”-Abstimmung statt, die mit einem “Nein” der Bürger das vielversprechende Projekt beerdigte. Anlässlich des dritten Jahrestags, und dem damit einhergehenden Ende der rechtlichen Bindungswirkung des Bürgerentscheids, wollen wir nun, im November 2023 die letzten Jahre Revue passieren lassen, einige Fehler und Kritikpunkte und unsere (Auf-)Forderungen für die Zukunft benennen.

Kurzer Abriss: die letzten drei Jahre für die Mobilität in Wiesbaden

Nach dem Aus der “CityBahn” kam es zu dem befürchteten Stillstand, sowohl in der Stadtpolitik als auch in der Stadtverwaltung. Die im beschlossenen Mobilitätsleitbild als Plan B formulierte Alternative wurde nicht angegangen. 

Der offensichtliche Versuch, durch die Vorverlegung der CityBahn-Abstimmung das Thema aus der Kommunalwahl im Frühjahr 2021 herauszuhalten, schlug fehl. So entfielen auch eine Nachwahlbefragung wie in Tübingen oder eine öffentliche Fehleranalyse zur Vorbereitung und öffentlichen Darstellung des CityBahn-Projekts.
Darüber hinaus belasteten (und belasten immer noch) diverse interne Probleme, Streitigkeiten und Skandale die städtische Verkehrsgesellschaft und binden Aufmerksamkeit und Arbeitskraft von Stadtpolitik und -verwaltung

Als wenn das nicht genug Probleme wären, kam dann noch der Kollaps der Salzbachtalbrücke (A66) im Juni 2021 hinzu, der zugleich für ein halbes Jahr den Hauptbahnhof der hessischen Landeshauptstadt quasi von jeglichem Bahnverkehr abschnitt, als auch seitdem den Autoverkehr durch die Stadt, täglich an den Rand des Kollapses bringt.

Neue Ideen für eine Lösung der Wiesbadener Verkehrsprobleme wie die Einführung des Digi-V-Systems verzögern sich in der Einführung bzw. können die erhöhten Ansprüche natürlich nicht erfüllen, sondern maximal das Beste aus einer Situation der permanenten Überlastung herausholen. 

Die Entwicklung und Bebauung des Ostfelds zwischen Erbenheim und Kastel ist weiter offen und damit auch die Frage, wie die Ländchesbahn aus- und umgebaut werden sollte. Deutlich wurde dieser verkehrspolitische Schwebezustand in den Diskussionen um den Umbau des Haltepunktes Erbenheim

Eine Machbarkeitsstudie zur Reaktivierung der Aartalbahn fiel positiv aus, und sie wird voraussichtlich kommen. Aber dies wird noch einige Jahre dauern. Allerdings kann diese Bahnverbindung aus Richtung Bad Schwalbach und Taunusstein keine Wunder bewirken, maximal den autobasierten Pendelverkehr durch und nach Wiesbaden etwas vermindern. Sie ist jedenfalls keine gleichwertige Alternative für eine Straßenbahn. 

Obwohl Gegner des Projekts Citybahn den Ausbau des Busbetriebs als Alternative priesen, wird nun bereits wieder von denselben Gruppierungen gegen die dafür notwendigen Busspuren gewettert. 

Aber es gibt auch gute Entwicklungen. Auch wenn viele Maßnahmen der Verkehrswende aufgrund des Salzbachtalbrückenkollaps in die Warteschleife gerückt sind, so gibt es dennoch Fortschritte: So wurden neue und sichere Radwege, etwa in der Rhein- und der Klarenthaler Straße angelegt. Die Stadt Wiesbaden will bis 2030 “Fußgängerstadt” Nr. 1 werden und beteiligte sich an einem entsprechenden Projekt zusammen mit Fuss e.V., AnwohnerInnen im Rheingauviertel nehmen die Umgestaltung Ihres Wohnquartiers selbst in die Hand und organisieren sich in der Bürgerinitiative Superblock Rheingauviertel, um einen lebenswerteren und sichereren Straßenraum einzufordern und zu gestalten.

Kurzer Abriss: Die letzten drei Jahre für unseren Verein

Das mehrheitliche “Nein” der Wähler am 1. November 2020 zum Projekt CityBahn war ein schwarzer Tag für den Verein, für Wiesbaden und für die ganze Region. Der Schock über die ideenlose Blockade des Vorhabens wurde nur durch die Hoffnung gemildert, dass nun schnell die im Mobilitätsleitbild bereits skizzierten Alternativen angegangen würden. 

Keinesfalls wollte der Verein den Neinsagern durch einen Abschied von der Bühne das Feld überlassen. Deswegen galt die Devise: JA, wir machen weiter! Es gibt zu viele Verkehrs- und Mobilitätsprobleme in Wiesbaden, die es anzugehen gilt, und in unserem Verein hatte sich ja eine gute Gruppe engagierter aktiver Menschen zusammengefunden und das Gemeinschaftswerk politischer Partizipation erprobt, die weiter “was bewegen” wollen. Der alte Name “Bürger Pro CityBahn Wiesbaden e.V.” musste natürlich weichen. Daher benannten wir uns um in “Wiesbaden neu bewegen e.V.”. 

Der neue Name soll dabei sowohl unseren Willen als auch den Wunsch nach Veränderungen im Sinne einer Mobilitätswende für Wiesbaden symbolisieren. Und ja, richtig vermutet: wir wollen uns neu bewegen mit dem modernsten und am besten dafür geeigneten Transportmittel, und das ist nun einmal eine Straßenbahn. Wir erweiterten jedoch unseren Aufgaben-, Tätigkeits- und Aufmerksamkeitsbereich auf die Verkehrswende insgesamt (Schienen-, Bus-, Rad-, Fußverkehr). Auch wenn die meisten unserer Mitglieder, Unterstützer und Interessierten natürlich weiterhin die Wiedereinführung einer Straßenbahn in Wiesbaden (bis in die fünfziger Jahre gab es schon einmal ein Schienennetz) ein besonderes Anliegen ist, gehören für uns alle Verbesserungen zu einem übergeordneten Leitbild.

Unseres Gründungsmotivs (der Unterstützung der Einführung einer Straßenbahn in Wiesbaden in Form des Projekts Citybahn) vorerst beraubt, blieben wir in den letzten drei Jahren dennoch alles andere als passiv. Im Folgenden einige Stichpunkte zu den Aktivitäten der letzten 3 Jahre:

  • Ringlinie / Kunst&Kultur-Linie: Erarbeitung einer Idee für eine Buslinie rund um die Innenstadt; Vorstellung auch in mehreren Ortsbeiräten und im Mobilitätsausschuss.
  • Expressbuslinie Klarenthal: Vorsprache bei OBR Klarenthal bzgl. deren Ideen zu Expresslinie zum Hbf; Hinweis auf Bedeutung von Busspuren, aber auch deren Begrenzung; wir gaben zu bedenken: richtig große Zeitersparnisse ergeben sich für eine Expresslinie in Wiesbaden nur auf separat geführten Spuren und durch ein extensives Netz aus Busspuren; solche Maßnahmen außerhalb der Zuständigkeit des OBR Klarenthal müssten also ebenfalls politisch unterstützt werden.
  • Teilnahme/Mitorganisation einer Demo in der Form von “Pop-up Bikelanes” auf Rheinstraße und Wilhelmstraße während der Corona-Pandemie.
  • Ausmessung und Kartierung der Gehwegbreiten in ausgewählten Stadtteilen im Hinblick auf die gesetzlich festgelegten und notwendigen Voraussetzungen für Zufußgehende.
  • Teilnahme an allen mobilitätspolitischen Foren, Diskussionen und Aktionen etwa beim Stadtradeln, Critical und Kidical Mass, Mobilitätsforum, green day der HSRM, etc.
  • Unterschriftensammlung für einen Volksentscheid zur Verkehrswende in Hessen.
  • Nach dem Kollaps der Salzbachtalbrücke haben unsere Mitglieder verschiedene Ideen entwickelt und in die Diskussion mit eingebracht, die dann auch tatsächlich Umsetzung fanden:
    • “Bypass” auf der Mainzer Straße, solange Unterfahrung der Brücke untersagt war. 
    • Bergauf 2 Spuren auf dem Theodor Heuss Ring, mit Wegnahme einer Verkehrsinsel.
    • Aushänge auf dem Weg zum Schienenersatzverkehr am Hbf (weil DB und ESWE dies nicht hinbekamen und somit die 6er Busse voll, aber der SEV leer war).
    • Ideen zur Verbesserung der Ersatzbahnhöfe (Ost, Biebrich, Schierstein)
  • Haltepunkt Erbenheim: Einlegen von Einspruch gegen Umbau (der Zweigleisigkeit und Takterhöhung behindern könnte. 
  • Erarbeitung eines Superblock-Konzepts für Wiesbaden (Artikelreihe mit bisher 4 Einträgen); zudem Mitarbeit am Superblock-Sonntag 2022 und am Superblock-Wochenende 2023.
  • Öffentliche Einordnung der geplanten Doppelgelenkbusse, ihrer Kapazitäten und Kosten, auch im Vergleich zu einer Straßenbahn.
  • Einbringung der in letzten 3 Jahren gesammelten Ideen in die Beteiligung für den neuen Nahverkehrsplan und die darin vorgesehene komplette Neugestaltung des Wiesbadener Busnetzes
  • Verein als Gründungsmitglied des Bundesnetzwerk Straßenbahn, einem Zusammenschluss von Bürgerinitiativen aus ganz Deutschland mit dem Fokus Straßenbahn, die regelmäßig Erfahrungen austauschen.
  • Und vieles mehr…

Was lief (u.a.) falsch beim Projekt “CityBahn”

Beim Projekt CityBahn wurden viele strategische, administrative und kommunikative Fehler gemacht, die erheblich zu dessen Scheitern und dem Verlust einer enormen Investitionssumme beigetragen haben. Insbesondere beim städtischen Verkehrsdienstleister ESWE Verkehr gab es immer wieder Vorfälle, die z.T. schon an Sabotage des eigenen Projekts grenzten. 

So wurde die ursprünglich über die Mainzer Straße vorgesehene Trasse der CityBahn (siehe Machbarkeitsstudie 2016) auf Anregungen aus Biebrich hin durch Biebrich verlegt, um danach vor dort genau deswegen besonders heftig sabotiert zu werden. 

Trotz eines enormen Aufwands und einer Reihe von Maßnahmen zur Bürgerbeteiligung und Kommunikation wirkte die teuer bezahlte Werbekampagne nicht sehr überzeugend, oft auch ziemlich unprofessionell. Auch die Geschäftsleute an der geplanten Strecke wurden nicht ausreichend eingebunden und hätten bei anderer Ansprache sicher positive Multiplikatoren sein können. 

Der polarisierende Ja/Nein-Entscheid hat sich dabei als ähnlich hohe Hypothek erwiesen, wie die verklausulierte und von vielen als tendenziös empfundene Fragestellung. Gepaart mit etlichen strategischen und kommunikativen Fehlern seitens der ESWE und der Stadt, erschwert durch die Corona-Pandemie und flankiert von einer allgemeinen Elitenskepsis, hat das zu einer Situation geführt, in der dieser Entscheid trotz hohen Engagements, guter Argumente und eigentlich eindeutiger Fakten kaum noch zu gewinnen war. Reine Ablehnung ist oft einfacher und populärer als lösungsorientierte Zukunftsmodelle, die erst einmal mit Kosten, Aufwand und Umbaumaßnahmen verbunden sind.

Der leider (nicht nur) in dieser Stadt zu beobachtende Verfall der politischen Kultur, des gegenseitigen Respekts in politischen Auseinandersetzungen und die Erosion einer faktenbasierten Entscheidungsfindung waren in diesem Wahlkampf augenfällig. 

Auch im Straßenwahlkampf ging dies von Anfeindungen bis hin zu körperlichen Angriffen beim Aufhängen von Plakaten. 

Die Terminwahl war alles andere als ideal, da der Termin (und damit der Wahlkampf bzw. die Informationsphase) in die Corona-Pandemie fiel. Auch die Abtrennung von der Kommunalwahl war vermutlich ein Fehler. Vor allem aber scheiterte der Durchbruch für eine Straßenbahn am mangelnden Rückhalt in beinahe allen Rathausparteien. Zur Erinnerung: Das Projekt CityBahn war mit den Stimmen sämtlicher Parteien außer der AfD beschlossen worden. Als die von ihnen lancierte Volksabstimmung nun jedoch in den Rathauswahlkampf hineinzulappen drohte, wandelten sich manche zu mehr oder weniger offenen Gegnern, andere rührten erst als es zu spät war etwas gequält die Werbetrommel – ausgenommen einzelne äußerst engagierte Partei- und StadtvertreterInnen. Ein eigenständiger Wahlkampf als Konsequenz aus der terminlichen Abtrennung vom Kommunalwahlkampf wurde von den in der Wiesbadener Kommunalpolitik vertretenen Parteien mit Ausnahme der FDP faktisch nicht durchgeführt.

Die Befürworter des Projekts CityBahn hatten mit offenen Karten gespielt und im ganzen Wahlkampf klar dargestellt, warum sie die CityBahn für die beste Lösung für Wiesbaden hielten und warum alle anderen Lösungen mit erheblichen Nachteilen wie z.B. auch höheren Kosten für die Stadt verbunden sind. An der Ablehnungsfront wurde hingegen – ähnlich wie beim Brexit – viel mit Fake-News und falschen Behauptungen gearbeitet (Beispiel: Bäume der Biebricher Allee würden reihenweise abgeholzt werden; Aartalbahn als Alternative zu einer Straßenbahn) und unehrliche Argumente herangezogen, die nur der Sabotage des Projekts dienten. Die Bus- und Baumliebhaberei war somit nur vorgeschoben. Alternative Konzepte zur Stärkung des ÖPNV und Reduzierung der Pkw-Verkehrs sind die Gegner dieses Projekts den Bürger*innen bis heute schuldig geblieben, obwohl sie doch stets behauptet hatten, es ginge “besser ohne CityBahn”. 

Angesichts einer emotionalisierten und sehr präsenten Nein-Kampagne war eine umfassende und sachliche Information für die Wähler nicht einfach möglich. Die Abstimmung bzw. die Debatte um das Projekt war somit mehr von Angst vor Veränderung, Beeinflussung durch glatte Lügen und mangelndem Verständnis der Materie geprägt. 

In einer von Anfang an von Desinformationen, Unterstellungen und einer massiven Polarisierung geprägten Debatte konnte man zum Ende hin mit sachlichen Informationen und einer nüchternen Abwägung von Vor- und Nachteilen kaum noch durchdringen. Und leider reicht ein einziger Grund, um dagegen zu sein, während man meist viele Vorbehalte entkräften musste, um Menschen von der Notwendigkeit des Projekts zu überzeugen. 

Das Projekt CityBahn , so scheint es in der Gesamtbetrachtung, ist letztlich weniger an der Attraktivität möglicher Alternativlösungen gescheitert als an einer grundlegenden Angst vor Veränderung.

“Die Wahrheit” bzw die Auswirkungen des Wahlkampfs und der Entscheidung “Nein zur CityBahn”

  • Baustellen: Das Votum “Nein” zum Projekt CityBahn war teils auch der Sorge um Baustellen geschuldet. ABER: Diese wird es ohnehin in den nächsten Jahren zwangsweise noch viele geben für Erneuerung der Kanalisation, Verlegung von Glasfaser und Fernwärmeleitungen und vor allem auch zur Erneuerung der Fahrbahnen (die durch den vielen Kraftverkehr stark belastet sind). Und LEIDER wird Wiesbaden diese Kosten selbst tragen müssen und nicht teilweise mitbezahlt bekommen, wie es beim Bau der CityBahn gewesen wäre. Die Hintermänner der Anti-Citybahn-Kampagne waren insofern unredlich und haben falsche Hoffnungen geschürt 
  • Personalkosten: Wer (mehr) Busse statt einer Straßenbahn fordert, der sollte auch für die Konsequenzen in die Verantwortung genommen werden. für die Konsequenzen auferlegt werden. Eine Straßenbahn kann sehr viel mehr Fahrgäste (auf den Hauptstrecken) befördern. Für eine Großstadt von knapp 300.000 Einwohnern ist die Straßenbahn die einzige und logische Ergänzung des ÖPNV-Portfolios, um Hochvolumenstrecken kostengünstig bedienen zu können. Damit braucht man entweder weniger Fahrpersonal für den bestehenden Fahrplan oder kann andere Verbindungen verstärken. Angesichts eines Fachkräfte-/Fahrermangels müssten sich die Gegner der Straßenbahn Fragen angesichts explodierender Kosten im ÖPNV bzw. der Einschränkung des Fahrplans erklären!
  • Investitionen (in Busse und Infrastruktur): Größere Busse (z.B. Doppelgelenkbusse), gerade auch in Elektrovariante, kosten in Relation zum Kapazitätsgewinn mehr Geld als eine Straßenbahn. Ebenso führen sie zu höherer Abnutzung der Straßenbeläge oder machen Betonfahrbahnen auf Busspuren notwendig. Und das alles ohne die Zuschüsse, die es für den Bau von Infrastruktur von Straßenbahnen gibt. E-Busse sind zwar teilweise förderfähig, aber bei weitem nicht zu einem so hohen Teil wie Straßenbahnen. 
    Die Kosten für mehr/größere Busse muss also Wiesbaden allein tragen. Diese Kostensteigerungen müssen sich die Gegner einer Straßenbahn ebenfalls zurechnen lassen. 
  • Diskussionskultur und Atmosphäre in der Stadt: Die Atmosphäre in Stadt, Gesellschaft und Politik in Wiesbaden ist weiterhin scharf und teils unsachlich. Die Art des Wahlkampfs und die Diskussion um die CityBahn haben hierzu beigetragen.
  • In den Köpfen der Leute sind ausgemachte Lügen (“dieser Baum muss fallen” in der Biebricher Allee, etc.) und gemachte falsche Versprechungen oder Andeutungen (“Nein” Stimme für keine Veränderung für keine Staus und keine Baustellen) immer noch sehr präsent.
  • Kehrtwende der Gegner nach dem “Nein”: Alternative Konzepte zur Stärkung des ÖPNV und Reduzierung des Pkw-Verkehrs sind die Gegner dieses Projekts den Bürger*innen bis heute schuldig geblieben. Gruppen von vormals selbsterklärten Fans von Busspuren und Baumschützern argumentieren nun plötzlich gegen Busspuren [Biebrich] und den Wegfall von Parkplätzen zum Erhalt von Bäumen [RGV]. 
  • Mangelndes Verständnis von Abhängigkeiten: es fehlt weiterhin bei vielen an Einsicht bzw. Wissen/Verständnis um Zusammenhänge: Wer seinen Ortsteil gut und schnell angebunden wissen möchte, muss auch stadtweit für Busspuren eintreten. Wer mehr Busse fordert, muss darlegen können, woher die Fahrer kommen sollen. Wer eine Straßenbahn ablehnt, muss auch ehrlich die Gesamtkosten für ÖPNV und Individualverkehr offen diskutieren (Infrastruktur, Instandhaltung, Anschaffung, Platzbedarf, etc.)
  • Schaden für den Einzelhandel und die Gastronomie der Innenstadt: Stadtzentren von Großstädten funktionieren, wenn sie auf einfachem Wege leicht erreichbar sind. Die schiere Menge der lokalen Autobesitzer lässt jedoch für Auswärtige und Bewohner der Vororte wenig Raum zum Fahren und Parken. Praktisch alle anderen Großstädte Deutschlands haben deshalb Regiotrams gebaut, um Kunden und Gäste mit den Angeboten der Innenstadt zusammenzuführen; alle, bis auf Wiesbaden. Die Konsequenzen jahrzehntelanger verkehrspolitischer Blockadepolitik in Wiesbaden sind im Vergleich mit anderen Städten augenfällig und für Menschen, die ihre Stadt lieben, schwer zu ertragen.
  • Schaden für den Wirtschafts- und Immobilienstandort: Es mehren sich die Klagen Gewerbetreibender über Probleme, qualifiziertes Personal zu gewinnen, bzw. zu halten. Eine gute ÖPNV-Anbindung ist für viele junge Talente ein „Muss“. Mit einem häufig als unattraktiv wahrgenommenen Bussystem alleine kann man als Standort für nicht punkten – hier haben sich alle anderen vergleichbaren Städte, im Rhein-Main Gebiet und bundesweit, besser aufgestellt, bzw. bauen Straßenbahn- und U-Bahnsysteme aus. Wiesbaden hat sich diesbezügliche Handlungsoptionen selbst verbaut.

Ausblick / Forderung für Stadt der Zukunft

Wie wir schon direkt nach Bekanntwerden des Abstimmungsergebnisses in 2020 gesagt haben:

“Sollte nach Ablauf der dreijährigen Bindungsfrist der heutigen Entscheidung keine Besserung sichtbar und kein aussichtsreiches Konzept für den Ausbau des ÖPNV in der Umsetzung sein, wird unweigerlich erneut eine Straßenbahn für Wiesbaden auf der Agenda landen.”

In den letzten 3 Jahren hat sich kein Konzept für den Ausbau des ÖPNV in Wiesbaden ergeben. Es wurde nicht einmal dessen Entwicklung angestoßen. Daher sehen wir die Notwendigkeit, von Denkverboten wegzukommen: Auch eine Straßenbahn muss zurück in die Diskussion!

Wir planen derzeit keine Unterschriftensammlung oder ähnliche Aktionen in Richtung eines Bürgerbegehrens (hin zu einem Bürgerentscheid) PRO Straßenbahn. Wir glauben: das Thema kann nur durch sachliche Stadtpolitik behoben werden. Die Verantwortung für bzw. Entscheidung hierüber liegt für uns eindeutig bei der Stadtverordnetenversammlung. Diese muss erneut (!) diskutieren, entscheiden. Erneut deswegen, weil das Projekt CityBahn ja auch demokratisch von diesen legitimiert / angestoßen wurde. 

Wir fordern zur Rückkehr zu faktenbasierten und sachlichen Diskussionen auf. Man kann sich gegen Problemlösungen entscheiden, aber die Probleme nicht wegstimmen.

Wir fordern einen “verkehrspolitischer Frieden” über alle größeren, demokratischen Parteien in der Stadtpolitik hinweg. Wiesbaden sollte sich hier am Beispiel Kiel orientieren, wo zwischen den Parteien in verkehrspolitischen Angelegenheiten sachliche Diskussionen, Abstand von Populismus und Wahlkampfmache mit diesem Thema, und eine gemeinsame Entscheidung vereinbart wurden. Es bleibt zu hoffen, dass die Wiesbadener Parteien parteitaktisches Kalkül hinter sich lassen, und sich endlich ernsthaft der Zukunft unserer Stadt widmen.

Sofern notwendig/gewünscht, unterstützen wir eine erneute Analyse, Definition der Ziele und Bedürfnisse und dann ergebnisoffene Optionsabwägung, ob/was es an neuen Verkehrsmitteln braucht und was das Beste ist: BRT, Oberleitungsbusse, Straßenbahn oder ähnliches. Wir sehen hier den Prozessablauf in Kiel als positives Beispiel. 

Wir denken, aufgrund unserer intensiven Beschäftigung mit der Thematik über die Jahre natürlich, dass eine Straßenbahn die beste und langfristig günstigste Lösung für Wiesbaden wäre. ABER: Wir werden das objektiv beste (ÖPNV-) Ergebnis für Wiesbaden unterstützen.

Bis es soweit ist, fordern wir die schnelle Umsetzung des derzeit in Entwicklung befindlichen Busnetzplans.

Ebenso fordern wir dazu auf, im Rahmen der aktuellen Haushaltsverhandlungen nicht den ÖPNV zu beschneiden. Es braucht sogar eher mehr Geld. Denn die Alternativen (mehr Autos?) kosten letztlich sogar mehr (an Geld für Infrastruktur, Einschränkungen der Sicherheit, Umwelteinflüssen etc.)

Bei einem wie auch immer gearteten neuen Projektanlauf wird es wichtig sein, die Bürgerbeteiligung (auch ohne/außerhalb einer Bürgerentscheids) zu verbessern, da solche Projekte mehr als eine einfache Ja/Nein Frage sind. Kiel und Mainz sind hier positive Beispiele, wie Wiesbaden es (besser) machen könnte/sollte. Auch muss man “nächstes Mal” auch die anderen Beteiligten einbeziehen: Bürger*Innen aus Mainz und dem RTK Kreis müssen als Betroffene mit einbezogen werden. 

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