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So viele Fahrgäste passen wirklich in die neuen ESWE-Gelenkbusse

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Gelenkbusse sind in der Regel rund 18 Meter lang. Für ihre neuen Gelenkbusse, die seit April 2023 in den Einsatz kommen, hat sich ESWE für eine rund 70 Zentimeter längere Version entschieden. Für einen beschleunigten Ein- und Ausstieg haben die neuen Busse zwei statt wie bisher nur eine Tür im hinteren Teil. Bis 2024 sollen weitere Busse des Typs MAN LionsCity 19C ausgeliefert werden. In ihrer Pressemitteilung nennt ESWE für die neuen Busse eine Kapazität von 164 Fahrgäste, von denen aber nur 42 einen Sitzplatz finden können 1 ESWE: Ab 2. April: Neue 4-Türer-Gelenkbusse im ESWE-Liniennetz (abgerufen am 06.04.2023) . Das wären 13 Fahrgäste mehr, als ESWE für die bisherigen Mercedes Gelenkbusse angibt.

Gelenkbus mit 4-Türen (Modell 2017)
Viertürige Gelenkbusse sind in Wiesbaden nicht neu. So setzt ESWE seit 2017 das Vorgängermodell des jetzt beschafften Typs ein – hier aufgenommen am Hauptbahnhof Wiesbaden (Foto: sk)

Sind die von ESWE angegebenen 122 Stehplätze realistisch?

ESWE operiert hier mit den Angaben der Bushersteller, deren Berechnungsmethode aber nur das Gewicht der Fahrgäste berücksichtigt, nicht aber den Umstand das Menschen auch Platz brauchen und das Bedürfnis nach gewisser Distanz zu ihren Mitmenschen haben. Für die Ermittlung der zugelassenen Kapazität werden Fahrgäste als Ladegut betrachtet. Die Differenz aus zulässigen Gesamtgewicht und Leergewicht des Busses, ergibt das Gewicht der maximal möglichen Zuladung. Um die Fahrgastzahl zu ermitteln, wird gemäß Straßenzulassungsverordnung einfach das Zuladegewicht durch das angenommene Durchschnittsgewicht eines Fahrgastes (68 kg) geteilt. Rechnet man die Ergebnisse dieser Methode auf die Stehplatzfläche des Busses um, müssten 6-7 Menschen auf einem Quadratmeter stehen um die volle Platzkapazität zu erzielen.

Um die errechneten 122 Stehplätze zu erreichen, müssten Menschen also wie in der Sardinenbüchse dicht an dicht stehen – ohne Bewegungsraum und Platz zum Atmen. Dann wäre auch das Ein-und Aussteigen kaum möglich und zeitaufwändig, da Fahrgäste nur langsam durch das Gedrängel kämen.

Berechnung nach tatsächlich vorhandener Stehplatzfläche

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), in dem über 630 Unternehmen des öffentlichen Personenverkehrs und des Schienengüterverkehrs organisiert sind, sieht daher 4 Personen pro Quadratmeter als Maximalwert für die Belegung der Stehplätze an. Mit diesen Wert werden auch die Stehplätze bei Regionalzügen und Straßenbahnen berechnet.

Für eine realistische Ermittlung der Fahrgastkapazität sollte also immer die Berechnungsmethode des VDV angewendet werden, zu dessen Mitgliedern übrigens auch die ESWE gehört. Betrachten wir also die tatsächlich vorhandenen Stellplatzflächen des neuen 19-Meter langen ESWE-Gelenkbus.

Steh- und Sitzplätze in einem Gelenkbus
Wird die Stehplatzanzahl nach der tatsächlich zur Verfügung stehenden Fläche berechnet (gelbe Quadrate) fällt die Kapazität viel geringer als bei den theoretisch berechneten Herstellerangaben aus (Grafik, basierend auf Werkszeichnung: Wiesbaden neu bewegen e.V.)

Statt 122 sind nur 59 Stehplätzen nachweisbar

Als Stehplatzflächen stehen Mehrzweckbereiche (an der zweiten und dritten Tür) sowie die Gänge und der Bereich im Gelenk zur Verfügung. Diese Bereiche wurden im obigen Busgrundriss mit gelben Kästchen markiert. Jedes Kästchen symbolisiert dabei einen Stehplatz mit der Größe 50 x 50 cm (also 0,25 Quadratmeter). Die in der Zeichnung rot markierten Bereiche neben dem Fahrerplatz und direkt an den Türen sind aus Sicherheitsgründen freizuhalten. Schwarz markiert sind Bereiche, die durch Einbauten nicht als Stehplätze nutzbar sind.

Durch Zusammenzählen der gelben Kästchen erhält man einen realistischen Wert für die Anzahl der Stehplätze. Vom Platz her existieren statt der vom Hersteller genannten 122 Stehplätze tatsächlich nur ca. 59 Stehplätze. Zusammen mit den 42 Sitzplätzen ergeben sich insgesamt also 101 Plätze. Diese Zahl deckt sich mit Angaben für vergleichbar lange Fahrzeuge anderer Verkehrsbetriebe, die mit 4 Personen/Quadratmeter Stehplatzfläche rechnen (z.B. die Verkehrsbetriebe Zürich 2https://www.stadt-zuerich.ch/vbz/de/index/die_vbz/fahrzeuge/autobusse/MAN.html (abgerufen am 06.04.2023)).

Realistische Zahlen aus Respekt vor den Fahrgästen

Der Verein “Wiesbaden neu bewegen” fordert ESWE Verkehr auf, im Sinne einer besseren Transparenz und aus Respekt vor den Fahrgästen, gegenüber der Presse und Öffentlichkeit nur noch die Stehplatzkapazität nach Berechnungsmethode des VDV (4 Personen/Quadratmeter) anzugeben. Dies gilt auch für den im Juni geplanten Testeinsatz eines 25 Meter langen Doppelgelenkbus.

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AWM1980

Was spricht denn dagegen wie in der Sardinenbüchse im Bus zu stehen? Nichts anderes hatten wir in der Schulzeit, da wollte auch nicht jeder sein Fahrrad, Kinderwagen oder Rollstuhl mitnehmen.
Abgesehen davon hat eine Rumpelbahn das gleiche Problem und sogar noch mehr an den Türen und den Bereichen davor.

Last but not least – schon mal über Doppelstockbusse und baulich getrennte Busspuren (analog der Rumpelbahn) nachgedacht? Die Busse sind dem schienengebundenen Verkehr bei Störungen immer weit überlegen. Ist ein Gleis defekt geht nichts, der Bus fährt drumherum.

Verborte Rumpelbahner!

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ÖPNV
Matthias

In einem Doppelstockbus passen genauso viele Menschen wie in einen normalen Gelenkbus – bei weniger Türen und weniger Multifunktionsflächen.

Wo sehen Sie da den Vorteil drin?

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ÖPNV
Wolfram

Ganz nebenbei, bei einem Doppelstockbus dauert der Fahrgastwechsel aus der oberen Ebene an den Haltestellen ewig. Das erzeugt Verspätungen. Und sie passen unter den meisten Unterführungen nicht durch, was ihren Einsatz einschränkt. Und barrierefrei ist die obere Ebene auch nicht. Das ist keine Alternative. Doppelgelenkbusse sind in Deutschland bis 25 Meter Länge mit Ausnahmegenehmigung zulasssungsfähig und genau diese Busse wird ESWE-Verkehr dieses Jahr testen. Es wird sich zeigen, ob die auf Dauer ausreichen oder ob wir noch längere Fahrzeuge brauchen werden, die es gibt. Z.B. in Mainz, in Frankfurt oder in Darmstadt, wo man sich keine freiwilligen Denkverbote bezüglich öffentlichen Nahverkehrs auferlegt.
Wir brauchen in Wiesbaden eine ergebnisoffene Diskussion zur Zukunft des ÖPNV und keine dagegen-Politik mit kontraproduktiver Ausklammerung bestimmter Verkehrsträger.

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ÖPNV
Michael Georgi

Michael

Im Übrigen ist die Kapazität eines 12m-Doppelstockbusses geringer als beim Gelenkbus, da im Oberdeck keine Stehplätze zugelassen sind und im Unterdeck viel Raum für die beiden Treppen verloren geht! Wer einmal in Berlin im Dosto mitgefahren ist, weiß, daß der Busfahrer vor jeder Abfahrt mittels Monitors (früher war es eine Spiegeloptik) überprüft, daß oben niemand steht. Bei Überfüllung müssen die oben oder auf den Treppen stehenden Fahrgäste vor der Weiterfahrt wieder aussteigen!

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ÖPNV
Wolfram

Wir haben in Wiesbaden ein Problem, die Leute vom Auto in die Busse zu bekommen. Niemand tauscht seinen garantierten Sitzplatz im Auto im Stau gegen einen Sardinenbüchsenstehplatz im Bus, der im gleichen Stau steht. Attraktivitätssteigerung des ÖPNV funktioniert so nicht.
Der Vergleich mit Zuständen zu unserer Jugend zählt nicht. Da hatte Wiesbaden noch deutlich weniger Einwohner und Einpendler. Jetzt gehen wir auf die 300.000 zu. Wir sind kein gemütliches kleines Städtchen mehr!

Im Übrigen war in Wiesbaden nie eine Rumpelbahn geplant, sondern eine Straßenbahn, und die rumpelt nicht. Im Gegenteil rumpelt es in Bussen teilweise recht ordentlich, z.B. auf der Fahrt mit der 16 nach Sonnenberg oder in der Bleichstraße oder vor der Sanierung in der Schiersteiner Straße. Kein Wunder, die Busse machen mit ihrem hohen Gewicht dort und anderswo die Straße kaputt. Und darum baut man Schienen! Die sind viel langlebiger, tragfähiger und verschleißärmer bei Belastung mit schweren Fahrzeugen des ÖPNV. Und sollte es doch mal rumpeln, gibt es nicht wie vor ein paar Jahren in der Schiersteiner Straße jahrelange Baustelle, sondern es fährt vor Betriebsbeginn ein Schienenschleiffahrzeug drüber und die Sache ist für die nächsten 10 bis 15 Jahre erledigt und die Bahn fährt ruhiger als jeder Bus. Auf die Art und Weise halten Schienenwege bis zu 70 Jahre, bis eine Erneuerung fällig ist. Da kommen Busspuren, selbst wenn sie aufwendig und teuer aus Beton gebaut sind, nicht mit.

Verbohrter Rumpelbusser 😉

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ÖPNV
Last edited 1 Jahr zuvor by Wolfram
Andreas Borg

Die Belegung a la “Sardinenbüchse” ist aber auch in der Straßenbahn möglich. Dann gehen dort mehr Leute rein als nach den offiziellen Angaben (eben die genannten 4 Personen / qm) gerechnet und die Bahn behält ihren Vorsprung. Das Problem ist, dass die Herstellerangaben bei Bussen und Bahnen eben nicht vergleichbar sind und dann in der Öffentlichkeit der Eindruck ensteht, in eine Bahn würden gar nicht so viel mehr Menschen reinpassen.

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ÖPNV

[…] Mit 24,4 Metern und einem zusätzlichen Fahrzeugsegment ist der Bus fast 6 Meter länger als die jüngst von ESWE beschafften Gelenkbusse. Mit dieser Länge überschreitet der Testbus die in Deutschland maximal zugelassene Länge für […]

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