In der Sitzung des Mobilitätsausschuss vom 16. Mai 2024 wurde der 2. Entwurf des Nahverkehrsplans vorgestellt. Dabei ging es vor allem um den Entwurf des Liniennetzplans. Es wurden aber auch schon Analysen u.a. zur Erschließungsqualität präsentiert.
Hier wollen wir euch einen ersten Einblick in den 2. Entwurf geben, damit ihr euch schon ein Bild machen könnt.
Allgemeine Struktur des Nahverkehrsplan
Netzstufen
Der Liniennetzplan hat im Grunde eine Art modularen Aufbau. Gemeint ist damit, dass es verschiedene sog. Netzstufen gibt mit einem unterschiedlich hohen Grad an Fahrleistung und damit auch an Erschließungswirkung.
Referenzwert ist das Liniennetz 2023 von vor den Kürzungen, also auch mit den Linien 30, 35 und 36. Das stellt 100% Fahrleistung dar. Die verschiedenen Kürzungen seitdem entsprechenden den folgenden Fahrleistungen im Vergleich zum Netz 2023:
ESWE-Liniennetze | Fahrleistung |
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ESWE-Liniennetz 2023 (ohne Kürzungen vom 14. April 2024 und mit Linien 30, 35 und 36) | 100% |
ESWE-Liniennetz März 2024 (ohne Linien 30, 35 und 36) | 98% |
ESWE-Liniennetz seit dem 14. April 2024 | 92% |
Die verschiedenen Netzstufen und die darin jeweils vorgesehene Fahrleistung wurden dazu in Relation gesetzt:
Netzstufen | Geplante Fahrleistung |
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Zielnetz + Prüfaufträge | 124% |
Zielnetz | 118% |
Basisnetz + mittlere Prioritäten | 110% |
Basisnetz | 101% |
Rückfallszenario | 94,5% |
Dies ist vor dem Hintergrund der Finanzierungsproblematik durchaus sinnvoll, da wir ja aktuell ohnehin nicht mehr 100% Fahrleistung haben. Die vorgestellten Liniennetzpläne zum Basisnetz und zum Zielnetz sind am Ende dieses Artikels zu finden.
Hierarchisierung
Außerdem wurden die einzelnen, hierarchisch aufgebauten Kategorien vorgestellt. Auch diese haben ein kleines Update erfahren.
Buskategorien (Liniennummern) | Was meint das? |
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Metrobusse (M1-M7) | Das soll das leistungsfähigste Element des Wiesbadener Busnetzes werden. Auf sieben Linien soll hier auf den wichtigsten Strecken gefahren werden. Angedacht ist ein 15-Minuten-Takt auf diesen Linien. Um viel Kapazität damit zu erzeugen, sollen hier mindestens Gelenkbusse eingesetzt werden. Außerdem werden hier teilweise Doppel-Gelenkbusse vorgeschlagen. |
Sprinterbusse (41-49) | Diese Kategorie ist neu. Im Kern handelt es sich hierbei um Schnellbusse. Diese sollen ergänzend zu den Metrobuslinien ein schnelles Angebot in die Vororte ermöglichen. Angedacht ist hierfür ein durchgehender 30-Minuten-Takt. |
Stadtbus-Hauptnetz (9-20) | Dies ist der “normale” Linienbus, den wir heute auch bereits haben. Dies soll ganztägig fahren und radiale Verbindungen (also von Vororten in Richtung Innenstadt und zurück) sowie tangentiale Verbindungen (also von Vorort zu Vorort) beinhalten. |
Stadtbus-Nebennetz (21-30) | Analog zum Stadtbus-Hauptnetz verkehren diese Linien sowohl tangential als auch radial. Sie sind aber als Verstärkerlinien geplant, die nur zur Haupt- und Normalverkehrszeit fahren. Zur Schwachverkehrszeit, also etwa frühmorgens und abends ab ca. 20 Uhr, verkehren diese nicht mehr. |
Quartierbusse (31-39) | Zusätzlich zu allen bisher genannten Busarten sollen die Quartierbusse die sogenannte Feinerschließung übernehmen. Das meint, dass weitere Strecken, die durch Metrobusse, Sprinterbusse und Stadtbusse noch nicht erschlossen sind, auch noch angefahren werden. Dies ist unter anderem mit Kleinbussen angedacht. |
On-Demand-Verkehr | siehe dazu den Abschnitt “On-Demand-Verkehr” |
On-Demand-Verkehr
Ein deutlich stärkeres Gewicht als im 1. Entwurf soll der On-Demand-Verkehr bekommen. So stellt er einen integralen Bestandteil für die ÖPNV-Erschließung im Wiesbadener Osten sowie im Nachtverkehr dar.
Was ist On-Demand-Verkehr?
Da dieses Thema ein sehr großes ist, kann es hier nur grob erklärt werden.
“On demand” bedeutet übersetzt “auf Nachfrage”. Das heißt, dass die entsprechenden Fahrten und Fahrzeuge nur auf Nachfrage eine bestimmte Strecke fahren.
Das bekannte “Anrufsammeltaxi” ist im Kern eine Form des On-Demand-Verkehrs. Allerdings meint man damit heutzutage digital angeforderte Fahrten. Meistens in einer App fragt ein Fahrgast eine bestimmte Strecke nach. Computerbasiert erhält dann ein:e Fahrer:in diese Strecke zugewiesen und fährt diese dann.
Beispiele dafür sind der MainzRider aus Mainz oder MOIA aus Hamburg.
Gerade die tangentialen Verbindungen im Wiesbadener Osten von einem Vorort in den anderen (z.B. von Heßloch nach Naurod) sollen hier über einen On-Demand-Verkehr angeboten werden. Darüber hinaus ist ein On-Demand-Verkehr in Richtung des S-Bahnhofs Lorsbach geplant.
Auch im Nachtverkehr soll der On-Demand-Verkehr eine wichtige Bedeutung erhalten. Unter der Woche soll nämlich der komplette Nachtverkehr darüber abgewickelt werden. Ein geplantes Linienangebot soll es dabei nicht mehr geben. Am Wochenende soll es auf einzelnen Linien wiederum ein Linienangebot geben, das dann durch den On-Demand-Nachtverkehr verstärkt wird.
Anschließende Diskussion im Mobilitätsausschuss
Die Diskussion drehte sich zu weiten Teilen, wie zu erwarten war, um das Thema der Finanzierung. Es ging um die Frage, inwieweit eine vollständige Umsetzung des Nahverkehrsplans bezahlbar ist. Dabei wurde immer wieder sowohl vonseiten der Planer von ioki und Planersocietät als auch vonseiten der ESWE Verkehr darauf hingewiesen, dass dies eine politische Entscheidung ist.
Als Richtwert wurde genannt, dass die prozentuale Steigerung der Fahrleistung eine Steigerung des Finanzbedarf in ähnlichem Ausmaß zur Folge hätte. Das bedeutet zum Beispiel, dass das Rückfallszenario (94,5%) etwas teurer wäre als das Netz, das seit dem 14. April gefahren (92%).
Weitere Themen waren u.a. das weitere Vorgehen auch hinsichtlich Bürgerbeteiligung sowie notwendige Maßnahmen für die Einführung von Metro- und Sprinterbussen.
Liniennetzpläne
Zielnetz
Dankenswerterweise haben wir die Linienwege für das Zielnetz als Pfade für Online-Kartentools von ioki erhalten. Diesen haben wir für euch visuell aufbereitet, damit ihr sie euch hier anschauen könnt:
Hier findet ihr alle Karten, die wir erstellt haben, im Überblick: https://wiesbaden-neu-bewegen.de/nvp2030-karten/
Nahverkehrsplan 2030 Zielnetz Stadt Wiesbaden (PDF)
Nahverkehrsplan 2030 Zielnetz Region Wiesbaden (PDF)
Basisnetz
Nahverkehrsplan 2030 Basisnetz Stadt Wiesbaden (PDF)
Nahverkehrsplan 2030 Basisnetz Region Wiesbaden (PDF)
Wie geht es weiter?
Der Entwurf, so wie er im Mobilitätsausschuss vorgestellt wurde, soll den Bürger:innen online vorgestellt werden. Bisher ist er allerdings nur auf PIWI, dem Politischen Informationssystem der Stadt Wiesbaden, zu finden (und zwar hier). Die Ortsbeiräte haben laut Aussage im Ausschuss bereits einen Tag nach der Ausschusssitzung eine eigene Veranstaltung zum Nahverkehrsplan gehabt.
In der Ausschusssitzung im Juni ist die Vorstellung eines Berichts zum Nahverkehrsplan vorgesehen. Im November soll der Nahverkehrsplan, so der aktuelle Zeitplan, dann final von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen werden.
Wir werden den Prozess weiter kritisch beleuchten und begleiten. Dabei wird auch die Finanzierungsfrage weiter eine große Rolle spielen, auch für den aktuellen Fahrplan. Daher setzen wir uns weiterhin dafür ein, dass ESWE Verkehr mehr Geld erhält. Bitte unterschreiben Sie dazu unsere Petition: