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Caen: Vom Spurbus zur Straßenbahn

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Wenn die Kapazität eines Bussystems nicht mehr ausreicht, wird nach Alternativen gesucht. Oft wird dabei nur auf die kurzfristigen Kosten oder auf Fördertöpfe geschaut. Bürgermeister wollen sich von anderen Städten abzuheben und als besonders innovativ gelten. Entscheidungen, die nicht nach objektiven Kriterien fallen, können aber langfristig hohe Kosten nachziehen und müssen irgendwann revidiert werden.

Ein Beispiel dafür ist die Einführung einer “Straßenbahn auf Gummireifen” in der französische Stadt Caen. Dort fuhr zwischen 2002 und 2017 ein als „Transport sur voie réservée“ (TVR) bezeichneter spurgeführter Doppelgelenkbus. Aufgrund anhaltender Probleme wurde Caen mit diesem System aber nie glücklich.

Nach dem Motto „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“ entschied sich die Stadt 2014 den Betrieb der TVR-Spurbusse einzustellen und durch eine richtige Straßenbahn zu ersetzen. Am 27. Juli 2019 eröffnete Caen seine neue Straßenbahnstrecke. Damit ist Caen die 23. Stadt in Frankreich, die seit 1985 die Straßenbahn wieder eingeführt hat.

Straßenbahn in Caen - historisches Umfeld
Die neue Straßenbahn von Caen passt ins historische Umfeld des Place Saint-Pierre. Ein Straßenbahnzug hat das Fassungvermögen von 150 durchschnittlich besetzten Pkws (Foto: Bernhard Kußmagk)

“Straßenbahn auf Gummireifen” hält nicht, was sie verspricht

Um zu erklären, wie es zu diesem Sinneswandel kam, muss man etwas zurückblicken. Schon 1937 wurde in Caen der Straßenbahnbetrieb zugunsten des Auto- und Busverkehrs stillgelegt. Nach dem Krieg wurde die Stadt mit breiten Straßen autogerecht ausgebaut. Ende der 1980er Jahre merkte man in Caen, dass ein leistungsfähigeres Nahverkehrssystem als der Bus gebraucht wurde. Zur gleichen Zeit testete die Firma Bombardier gerade ihr TVR-System mit spurgeführten Doppelgelenkbussen. Wie bei der chinesischen Straßenbahn ohne Schienen versprach der Hersteller ein System das die Vorteile der Straßenbahn mit geringeren Investitionskosten erreicht. Statt zwei Schienen wurde nur eine Schiene zur Spurführung benötigt. Das Gewicht des Fahrzeugs ruht auf herkömmlichen Busreifen. Als Vorteil wurde auch die Flexiblität gepriesen, da das Fahrzeug den spurgeführten Bereich verlassen kann und dann vom Fahrer gelenkt wird. Voraussetzung dafür ist aber entweder ein separater Dieselantrieb oder eine bei Oberleitungsbussen gebräuchliche doppelpolige Oberleitung. Auch wenn es aus Imagegründen als Straßenbahn bezeichnet wurde, war die „Tramway sur Pneus“ eher ein spurgeführter Oberleitungsbus.

Spurgeführter Bus des Systems Bombardier TRV
Spurgeführte Busse des Systems TVR sind in Caen und Nancy längst Geschichte. Im Jahr 2015 fahrt ein Wagen auf der Linie B in Caen. (Bild: Florian Fèvre, Bombardier TVR n°514 TWISTO – Poincaré, CC BY-SA 4.0)

Folgekosten relativieren kurzfristige Einsparungen

Offenbar sind gerade in Städten, die sich früh von der Straßenbahn getrennt haben, die Vorbehalte gegenüber diesem Verkehrsmittel besonders groß. Während im 300 Kilometer entfernten Nantes bereits 1985 wieder die Straßenbahn eingeführt wurde, setzten die Stadtväter von Caen auf den neuen „Wunderbus“. In Ihrer Euphorie schlugen sie Warnungen vor dem noch nicht ausgereiften System und den langfristigen Folgen in den Wind 1http://www.fea-frauenfeld.ch/caen—vom-pneutram-zum-richtigen-tram.html. Kurzfristige Einsparungen, wie der Verzicht auf Eisenschienen, mussten aufgrund von mittelfristig auftretenden Kosten, wie der Beseitigung von tiefen Spurrillen im Straßenbelag teuer bezahlt werden 2 https://de.wikipedia.org/wiki/TVR_Caen.

Bei einem reinen batteriegetriebenen System wie dem chinesischen Spurbus, müssten auch alle paar Jahre die hochpreisigen Batterien getauscht werden. Ein weiterer Nachteil von Spurbussystemen ist die fehlende Möglichkeit die Kapazität durch längere oder zusammengekuppelte Fahrzeuge zu erweitern, da die Länge gesetzlich begrenzt ist. Schließlich macht man sich mit einem speziellen System von einem Hersteller abhängig. Alle diese Probleme machten dem Spurbus in Caen und einem ähnlichen System in Nancy zu schaffen. Die Abhängigkeit von einem Hersteller erwies sich als fatal, als Bombardier 2004 mangels Erfolg die Produktion seiner 25 Meter langen TVR-Busse einstellte und somit auch keine Ersatzteile mehr lieferte. Vier Jahre nach Inbetriebnahme zeichnete sich damit schon ab, dass die Gummibahn in Caen nicht von Dauer sein würde.

Spurbus und Straßenbahn
Zwei Jahre liegen zwischen diesen beiden Aufnahmen am Bahnhof von Caen: Links der Spurbus TVR und rechts die Straßenbahn (Fotos: Cramos, TVR n°521 de Caen à la gare SNCF par Cramos, CC BY-SA 4.0, rechts: Bernhard Kußmagk)

Straßenbahn-Bau dauerte nur anderthalbe Jahre

In Caen hat man für den spurgeführten Bussen viel Lehrgeld bezahlt. Ende 2017 fuhr der letzte Spurbus, anschließend wurden die Anlagen abgebrochen um Platz für eine richtige Straßenbahn zu machen. Die verbliebenen Spurbusse wurden nach Nancy abgegeben, wo sie als Ersatzteilspender dienen bis auch Nancy eine richtige Straßenbahn bekommt. Auch in Caen bewahrheitete sich die Aussage, dass die reine Bauzeit einer neuen Straßenbahnstrecke „selten länger als anderthalb Jahre dauert“ 3 GRONECK, Christoph (2003): Neue Straßenbahnen in Frankreich. EK-Verlag, S.17. Denn bereits am 27. Juli 2019 konnte das neue 16,2 km langes Tramnetz mit 3 Linien eröffnet werden. Die Bauzeit für die Spurbustrasse war seinerzeit mit 3 Jahren doppelt so lang gewesen.

Straßenbahn Caen Wohnbebauung
Mit ihrer Rasentrasse fügt sich die neue Straßenbahn von Caen auch in Wohnumfeld ein. Hier aufgenommen an der Avenue de la Grande Cavée, westlich der Endhaltestelle Hérouville Saint-Clair (Foto: Bernhard Kußmagk)

Straßenbahn nicht nur Verkehrsmittel, sondern Gestaltungselement

In Frankreich ist die Straßenbahn nicht nur ein Verkehrsmittel um bequem von A nach B zu kommen. Mit dem Bau der Strecke werden auch Stadträume aufgewertet. Da sich Straßenbahnschienen mit den verschiedensten Materialien – wie bspw. Steinplatten, Pflasterungen oder Vegetation – kombinieren lassen, gibt es zahllose Möglichkeiten zur Integration ins Stadtbild. So ist in Caen die Hälfte der Strecke jetzt als Rasengleis ausgeführt. Auch die Straßenbahnwagen, mit ihren schicken Design und in Frankreich fast immer ohne Werbung, dienen nicht nur der Aufnahme der Fahrgäste sondern auch der Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt. Wie in vielen anderen französischen Städten konnten daher auch die Bürger von Caen über das Design der neuen Straßenbahnen abstimmen 4http://www.tramway.at/caen/caen.html.

War die Straßenbahn auf Stahlrädern jetzt wirklich so viel teuer als die „Tramway sur Pneus“? Nein, denn für den Bau der Spurbusanlagen mussten schon im Jahr 2002 samt Fahrzeugen 227 Mio Euro bezahlt werden5https://en.wikipedia.org/wiki/Caen_Guided_Light_Transit. Die leistungsfähigeren und 1,5 km längeren Straßenbahnstrecken kosteten 2018 rund 250 Mio. Euro, dazu kamen rund 51,5 Millionen Euro für die neuen Straßenbahnwagen 6 https://de.wikipedia.org/wiki/Stra%C3%9Fenbahn_Caen. In Frankreich betrug die Preissteigerung zwischen 2002 und 2018 rund 25% 7z.B. zu berechnen auf https://www.laenderdaten.info/Europa/Frankreich/Inflationsraten.php. Bei heutigem Geldwert lagen die Bau- und Fahrzeugkosten für den Spurbus also bei rund 283 Mio. Euro. Vergleicht man nun noch die Lebensdauer der beiden Systeme (15 Jahre für den Spurbus, mindestens 30 Jahre für die Straßenbahn) hat sich in Sachen Spurbus das Sprichwort „Wer billig kauft, kauft teuer“ bewahrheitet.

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    http://www.fea-frauenfeld.ch/caen—vom-pneutram-zum-richtigen-tram.html
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    https://de.wikipedia.org/wiki/TVR_Caen
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    GRONECK, Christoph (2003): Neue Straßenbahnen in Frankreich. EK-Verlag, S.17
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    http://www.tramway.at/caen/caen.html
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    https://en.wikipedia.org/wiki/Caen_Guided_Light_Transit
  • 6
    https://de.wikipedia.org/wiki/Stra%C3%9Fenbahn_Caen
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    z.B. zu berechnen auf https://www.laenderdaten.info/Europa/Frankreich/Inflationsraten.php
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Erik Lenz

Naja, nur Caen und Nancy hatten diese GLT von Bombardier. Und Nancy geht jetzt auf Trolleybus/IMC.

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