In diesem Artikel wollen wir uns einem Akteur in Wiesbaden widmen: der Straßenverkehrsbehörde. Sie tritt selten aktiv in den Vordergrund und ist definitiv nicht so präsent wie beispielsweise ESWE Verkehr.
Aber ohne diese Behörde geht verkehrlich nichts: alle Beschilderungen und Markierungen, bzw. im Amtsdeutsch alle „Verkehrsrechtlichen Anordnungen“ laufen über einen Schreibtisch in der Straßenverkehrsbehörde. Das gilt sowohl für permanente als auch temporäre Dinge.
Das bedeutet: jede neue (permanente oder temporäre) Busspur und Radspur, jede baustellenbedingte Umleitung von Fuß- und Radverkehr, jede Ladezone, aber auch jede Gehwegverbreiterung (die haben dann ggf. die Wegnahme von Autospuren zur Folge) geht über den Schreibtisch dieser Behörde.
Diese Behörde ist für die Verkehrswende sehr wichtig. Denn ohne sie, sprich ohne entsprechende verkehrsrechtliche Anordnungen, gibt es keine Flächenneuverteilung im öffentlichen Raum.
Daher werfen wir einen Blick von außen auf diese Behörde – und zwar am Beispiel einer kleinen, aber vielsagenden Baustelle auf der Bahnhofstraße.
(Es wird auch um andere Beteiligte gehen, aber dies eher in kleinerem Umfang.)
Die Situation auf der Bahnhofstraße
Zwischen Geschwister-Stock-Platz und dem 1. Ring gibt es aktuell eine kleine Baustelle auf dem Gehweg entlang der Reisinger-Anlage. Grund ist der Bau des neuen Wasserspielplatzes. Das Mahnmal für die deportierten und ermordeten Wiesbadener Sinti und Roma wurde übergangsweise entfernt, damit Baufahrzeuge auf das Gelände dahinter kommen.
Für die Bauarbeiten wird auch der Platz auf dem Gehweg sowie ein wenig Platz auf dem dort verlaufenden Parkstreifen benötigt. Zu Fuß Gehende müssen also umgeleitet werden. So weit so normal.
Doch anstelle das Naheliegende zu tun – was im Übrigen auch alle Passant:innen –, wird ziemlich weiträumig umgeleitet. Die Umleitung ist ca. 150 Meter länger als die normale Strecke. In normalem Schritttempo sind das etwas mehr als 2 Minuten.
Das klingt nach wenig. Aber wenn man sich überlegt, wie (un)gerne man einen Umweg von etwas mehr als 2 Minuten machen würden, wird klar, dass es völlig illusorisch ist zu glauben, dass Menschen das machen werden.
Deswegen machen sie es auch nicht, wie das Foto beweist. So gut wie niemand hält sich an die ausgeschilderte Umleitung.

Der Gehweg ist mit rot-weißen Baken abgesperrt. Es gibt keinen abgesicherten Weg für Menschen zu Fuß. Dennoch gehen viele Menschen entlang der Baustelle.

Dabei gibt es eine so naheliegende Lösung: man kann den Gehweg einfach gesichert entlang der Baustelle über den Parkstreifen führen. Die Bauabsperrung steht aktuell ohnehin fast komplett so, dass zwischen Baustelle und Fahrradstreifen genug Platz für deinen umgeleiteten Gehweg ist.
Es gibt lediglich eine Stelle, wo es aktuell enger ist. Aber die Bilder zeigen, dass zwischen Bake und Baustelle noch Platz ist. Wenn die Bake also näher an die Baustelle geführt wird, ist auch dort genug Platz, um durchgehend einen geschützten umgeleiteten Gehweg zu schaffen.
Die Baufirma braucht offensichtlich nicht den gesamten Parkstreifen. Auch an der hinteren Ecke ist noch Platz auf der Bautelle. Es ist also genug Platz vorhanden, um den Gehweg auch offiziell über den Parkstreifen umzuleiten.
Für die Barrierefreiheit sei noch angemerkt, dass die Stufe zwischen Gehweg und dem Fahrbahnniveau durch eine Rampe auflösbar ist. Dies ist in anderen Städten gängige Praxis, beispielsweise in Mainz, wo im Rahmen von wichtigen Ersatzhaltestellen teilweise mit Asphalt der barrierefreie Zustieg in Busse ermöglicht wird.
Kurzum: es gibt keinen erkennbaren Grund vor Ort, der gegen die deutlich kürzere Umleitung spricht. Aber es passiert. Immer wieder. So auch vor ein paar Wochen in der Schwalbacher Straße beim Abbruch des alten Arbeitsamts. Und um zu verstehen, warum so etwas passiert, müssen wir uns anschauen, was davor passiert. Bühne frei also nun unter anderem für die Straßenverkehrsbehörde.
Wie entsteht eine solche Umleitung?
Verkehrsschilder und mehr (im Amtsdeutsch Verkehrszeichen) darf nicht jeder einfach so aufstellen. Diese müssen im Vorfeld genehmigt (bzw. angeordnet) werden. Dazu gibt es eine klare (aber teils eher undurchsichtige) Zuteilung von Kompetenzen, wer wo zuständig ist. Für den Gehweg in der Bahnhofstraße liegt die Zuständigkeit bei der Straßenverkehrsbehörde.
Das Ganze fängt aber bei jemandem an, der etwas bauen möchte. In Falle des Wasserspielplatzs dürfte es das Grünflächenamt sein [1, vgl. 2]. Für die Baustelle gibt es dann ein Bauunternehmen, das dies umsetzt. Dieses Unternehmen redet natürlich dabei mit, wie die Baustelle eingerichtet sein, da es weiß, welche Flächen es braucht, um die Bauarbeiten auch umsetzen zu können.
Mit den Informationen für die Baustelle an sich und eben für das, was das Unternehmen braucht, wird ein sogenannter Verkehrszeichenplan erstellt. Das machen so genannte Verkehrszeichner:innen, entweder von der Stadt oder aus externen Büros. In diesem steht dann drin, welche Verkehrszeichen wo aufgestellt werden. Das meint alles: Baustellenbaken, Umleitungsschilder usw. Grünflächenamt und Bauunternehmen sehen diesen Plan und überprüfen ihn hinsichtlich ihrer Belange.
Dieser Verkehrszeichenplan wird dann der Straßenverkehrsbehörde vorgelegt. Denn die Verkehrszeichen dürfen erst dann entsprechend diesem Plan aufgestellt werden, wenn die Straßenverkehrsbehörde dies genehmigt. Ggf. gibt es Änderungswünsche, sodass das ganze nochmal ein paar Runden dreht. Aber am Ende steht ein Verkehrszeichenplan, der von der Straßenverkehrsbehörde genehmigt wurde. Dann dürfen die Schilder etc. für den beantragten Zeitraum aufgestellt werden.
Vier Beteiligte und eine furchtbare Umleitung
Wir haben also vier Akteure: Grünflächenamt, Bauunternehmen, Verkehrszeicher:in und die Straßenverkehrsbehörde. Und am Ende eine furchtbare Gehwegs-Umleitung. Mindestens vier Personen haben also den Verkehrszeichenplan gesehen und sich nicht an dieser Umleitung gestört.
Und das ist ein Problem, in diesem Fall für Menschen zu Fuß. Denn die Menschen draußen sind darauf angewiesen, dass die involvierten Akteure an sie denken. Die Menschen draußen sind ja nicht Teil dieses Prozesses. Wenn aber niemand im Prozess an sie denkt, dann sagt das etwas über die Prioritäten derjenigen aus, die Teil des Prozesses sind.
Ähnliche „Ergebnisse“ bekommt man dann auch andernorts. Schlecht gemachte Umleitungen für Fuß- und Radverkehr (und manchmal auch für den Busverkehr) sind nicht immer Ergebnis der baulichen Rahmenbedingungen,die nichts anderes zulassen. Sie sind oft eben auch Ergebnis dessen, dass Menschen im Prozess nicht an den Fuß- und Radverkehr denken.
Die Straßenverkehrsbehörde als Kontrollinstanz
Die Straßenverkehrsbehörde hat eine besondere Rolle, denn sie genehmigt solche Verkehrszeichenpläne. Wenn die Straßenverkehrsbehörde einfordern würde, dass die Gehwegs-Umleitung in unserem Beispiel anders gemacht werden sollte, dann muss das passieren. Und die Behörde kann solche Nachbesserungen einfordern. Ihr Wort hat Gewicht.
Das ist auch der Grund, warum die Straßenverkehrsbehörde im Titel so explizit genannt wurde. Wenn die Straßenverkehrsbehörde (bzw. die Menschen in ihr) gute Bedingungen für Fuß und Rad will, temporär bei Umleitungen, aber auch generell, dann kann sie dies einfordern.[3]
Wenn ihr die baulichen Bedingungen für den Fuß- und Radverkehr egal oder weniger wichtig sind, entstehen Umleitungen, die nicht praktikabel sind. Das gilt beispielsweise auch für die Fußwegsumleitung in der Schwalbacher Straße, also vor ein paar Wochen das alte Arbeitsamt abgerissen wurde. Die vorgesehene Umleitung war so schlecht, dass die Leute den deutlich gefährlichen Weg entlang der Baustelle und damit auf der Fahrbahn(!) wählten.
Es braucht also mindestens in der Straßenverkehrsbehörde ein Bewusstsein für den Fuß- und den Radverkehr.
Die Straßenverkehrsbehörde erweckt leider häufig den Anschein, als wäre ihr der Autoverkehr und dessen „Leichtigkeit“ am wichtigsten. Aber die Leichtigkeit des Verkehrs gilt auch für andere Verkehrsmittel. Auch Fußverkehr muss leicht sein. Und bei einer so offensichtlichen Lösung wie oben geschildert stellt sich wirklich die Frage, ob die Straßenverkehrsbehörde dies bewusst entscheidet, oder ob es ihr egal ist.
Unsere Forderungen
- Die Gehweg-Umleitung muss geändert werden. Die ausgeschilderte Umleitung ist schlicht nicht tragbar, wie täglich viele Menschen dort mit ihren Füßen beweisen. Daher fordern wir alle Beteiligten (Grünflächenamt, Bauunternehmen und besonders die Straßenverkehrsbehörde) auf, dies schnellstmöglich zu korrigieren. Die Umleitung muss entlang der Baustelle gehen, so wie die Menschen es die ganze Zeit schon machen.
- Die Straßenverkehrsbehörde muss bei allen ihr vorgelegten Verkehrszeichenplänen den Fuß- und Radverkehr mitdenken. Solche Pläne wie in der Bahnhofstraße dürfen nicht durchgehen.
- Auch die städtischen Ämter (in diesem Fall höchstwahrscheinlich das Grünflächenamt) müssen an den Fuß- und Radverkehr denken, wenn es an die Bauausführung und an den damit verbundenen Verkehrszeichenplan geht.
Eine Gemeinschaftsarbeit von Wiesbaden neu bewegen und dem VCD Wiesbaden/Rheingau-Taunus