Transkript
Frage 1: Prioritäten | Welche drei Maßnahmen sollen die Mobilität in Wiesbaden verbessern?
Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die man ergreifen muss. Das ist natürlich vor allen Dingen die Stärkung des ÖPNV. Das heißt, wir wollen ein wirklich sicheres Bussystem haben. Wir sind ja gerade zurückgekehrt zum Normalfahrplan. Das war auch wirklich fällig, und das war auch ein politisches Ziel. Und diese Situation wollen wir verfestigen.
Das Zweite ist natürlich weiterhin, den Radverkehr zu stärken. Das ist sozusagen die Verschiebung im Modal Split, die man, glaube ich, am ehesten erreichen kann. Und ich bin immer der Auffassung, jeder, der freiwillig aufs Rad umsteigt, entlastet auch das Gesamtsystem. Das ist ein Gedanke, den vertritt nicht jeder. Aber ich bin der Auffassung, am Ende profitieren alle davon.
Und natürlich ist das Thema Schienenanbindung der große dritte Bereich, der wichtig ist. Da geht es vor allem um die Schienentrassen, die wir haben, sprich: Rheingaulinie, sprich: Ländches-Bahn. Da sehe ich noch Verbesserungspotenzial. Und natürlich die Reaktivierung der Aartalbahn. Das ist ein richtig großes und auch ein langfristiges Projekt. Aber ich glaube, das hat erhebliches Potenzial. Gerade wenn man sich die Pendlerströme aus dem Rhein-Taunus-Kreis anguckt, ist das, glaube ich, ein lohnendes Projekt.
Frage 2: Tempo 30/40 | Meinung zu den neuen Tempo 30/40 Regelungen im Innenstadtbereich
Ich glaube, so was muss man nach einer gewissen Zeit evaluieren, gucken, ob das getaugt hat, weil die Begründung für diese Tempo-30/40-Abschnitte ist ja im Prinzip Lärmschutz. Das heißt, es ging darum, tatsächlich zehntausende von Menschen, die im Bereich des Ersten Rings wohnen, zu entlasten von Verkehrslärm. Ich finde, das ist ein wichtiges Ziel und ich finde es auch nachvollziehbar. Und wir erleben die Diskussion ja überall in der Stadt, in jedem Stadtteil:
Draußen wird argumentiert, wir hätten ja gerne Tempo 30, was ich im übrigen auch nachvollziehen kann. Und ich finde, dann müssten die hoch belasteten Bürgerinnen und Bürger auch die Chance haben, eine Entlastung zu erfahren. Und ja, ich finde ehrlich gesagt diesen Schilderwald, den uns der Gesetzgeber aufnötigt, weil wir halt hinter jeder Kreuzung neu beschildern müssen, das ist nicht wirklich schön, das verbessert das Stadtbild nicht. Aber das ist nicht unsere Entscheidung.
Frage 3: Autoverkehr | Aktuelle Autoverkehr-Situation in Wiesbaden: Beurteilung und Konzepte
Manchmal werden im Internet Bilder von 1975 gepostet bei „Wiesbaden Nostalgie“, und wie schön doch die Zeit gewesen sei, als der Autoverkehr so unbehindert fließen konnte. Damals hatten wir einfach in Wiesbaden halb so viele Fahrzeuge wie heute. Und diese Stadt hat ein historisches Erbe, auf das wir unglaublich stolz sind.
Und diese Stadt ist nie gebaut worden für so viele Fahrzeuge. Das ist einfach ein objektiver Tatbestand. Das ist kein Vorwurf gegen Autos, sondern es ist einfach so. Man kann ja froh sein, dass die Stadtplaner damals die breiten Boulevards, den Ersten Ring, die Wilhelmstraße, die Schwalbacher Straße angelegt haben. Denn ansonsten wäre schon längst das System kollabiert, weil es sonst nicht möglich wäre, den Verkehr durchzuleiten.
Aus diesem Befund heraus muss man sagen: Das Auto: es ist in dieser Stadt einfach schwierig, davon noch mehr unterzubringen. Das heißt, wir brauchen andere Wege. Wir müssen mehr Menschen dazu bringen. freiwillig, wie ich finde, auf den ÖPNV umzusteigen, freiwillig dazu bringen, das Fahrrad zu nutzen, zu Fuß zu gehen, weil ich sage, das entlastet das Gesamtsystem. Ich stehe nicht für eine Politik gegen das Auto, sondern ich möchte gerne, dass jeder seine individuellen Verkehrsbedürfnisse auch decken kann.
Und es gibt viele Menschen, die sind aufs Auto angewiesen, die sollen es auch nutzen können. Aber jeder macht ja relativ schnell die Erfahrung, dass ich bei Entfernungen von drei, vier Kilometern in der Stadt ja auch schneller bin mit dem Fahrrad, dass ich einfach viel effektiver bin und besser ankomme. Und natürlich ist auch nicht nur das eigene Auto ausschlaggebend, sondern ich bin ein großer Freund von Sharing-Systemen, so dass Autos, die ja 23 Stunden am Tag in der Gegend rumstehen, effektiver genutzt werden, indem man sich tatsächlich Autos teilt, indem man die Autos nur dann bei Bedarf sich nimmt, wenn man sie braucht.
Ich glaube, wir sind da gut vorangekommen. Das erspart uns Stellplätze in der Stadt. Das erspart uns auch zusätzlichen Verkehr, der nicht unbedingt erforderlich ist. Und es gibt dann trotzdem die große individuelle Freiheit. Und ich glaube, an diesen Punkten muss man weiterarbeiten.
Frage 4: Modalsplit | Zukunft des Modalsplits in Wiesbaden: Welche Konzepte und Vorbilder aus Wissenschaft und anderen Städten gibt es?
Ich finde es schwierig, Zielvorgaben für den Modal Split zu machen. Ich finde, man muss eher von Entwicklung reden und die Entwicklung beim Modal Split muss nach meinem Dafürhalten schon sein, dass wir etwas weniger motorisierten Individualverkehr, sprich Autos, brauchen. Ich glaube, es ist ein Ziel, dass wir diesen Anteil senken. Auch, und das wiederhole ich noch mal, auch im Interesse der Autofahrenden. Die haben etwas davon, wenn etwas weniger Autoverkehr in der Stadt ist. Demzufolge müssen wir den Modal Split insbesondere im Bereich des Radfahrens erhöhen, auch im Bereich ÖPNV. Der stagniert ja im Grunde genommen seit vielen Jahren.
Das heißt, wir brauchen ein gut ausgebautes ÖPNV-System. Ich hoffe, dass der neue Nahverkehrsplan, der ja beschlossen worden ist, auch dazu beiträgt, mehr Menschen dazu zu bringen, tatsächlich in den ÖPNV umzusteigen, weil es für sie einfach bequemer und angenehmer ist, als selbst mit dem Auto zu fahren. Und das sind dann Tendenzen, die ich in den nächsten Jahren verstärken will.
Man muss natürlich auch immer in anderen Städten gucken und trotzdem hat jede Stadt ihre eigenen Probleme und ihre eigenen Chancen – also im Vergleich. Schauen wir zum Beispiel nach Münster. Münster ist flach, seit ewigen Zeiten eine große Radfahrstadt. Göttingen ebenso. Wir haben Städte, auf die wir auch gern gucken, etwa nach Kopenhagen, weil da so wunderbar diese eine Fahrradbrücke über den Hafen geht. Tatsächlich ist Kopenhagen die sehr viel autofreundlichere Stadt, als man hier gemeinhin vermutet. Und insofern man muss immer aus allen Systemen das Beste nehmen.
Aber am Ende sind unsere Lösungen individuell. Unsere Lösungen müssen individuell sein, weil wir unser spezifisches Stadtbild haben, unser Straßensystem. Wir haben eben keine Umgehungsstraßen rund um Wiesbaden, jedenfalls nicht vom Taunus aus. Das heißt, wir müssen in irgendeiner Art und Weise eine Sondersituation abbilden, die vielleicht andere Städte in der Form nicht haben. Wenn nämlich tausende von Pendlern zu Recht und aus nachvollziehbaren Gründen tatsächlich in die Stadt reinfahren, die Stadt möglicherweise auch nur passieren, um am anderen Ende wieder rauszufahren.
Und ja, wir gucken uns auch andere Städte an, aber die Lösungen, die wir finden, müssen Wiesbadener Lösungen sein.
Frage 5: Radverkehr | Wie kann Wiesbaden die Radinfrastruktur sicherer und attraktiver gestalten?
Also ich glaube, jede Klientel hat ihre eigene Art und Weise, die Defizite zu beschreiben. Die Fahrradfahrer tun das, die Autofahrerinnen und Autofahrer tun das, die Fußgänger tun das auch. Und ich finde, das ist immer eine legitime Sichtweise. Beim Thema Fahrradfahren, finde ich, sind wir in den letzten Jahren deutlich vorangekommen.
Das zeichnet ja auch das Ergebnis des Fahrradklima-Tests aus. Das zeigt: Wir sind da ein Aufholer. Das heißt natürlich auch: Wir waren vorher ziemlich schlecht, Um ehrlich zu sein, Aber das ist gelungen. Es gibt ein paar Projekte, die ich wirklich gerne mag, ich hier direkt vor die Haustür ihrer Geschäftstelle [Anmerkung: gemeint sind die ADFC Räumlichkeiten in der Goebenstraße] schaue:
Die Goebenstraße ist eine Fahrradstraße; das finde ich durchaus modellhaft. Ich wollte gerade noch eben auf den Radweg-Radzähler gucken – aber das habe ich jetzt nicht mehr geschafft – wie sich das entwickelt hat. Ich finde es gut. Wir sind vorangekommen bei den Radwegen, wir sind vorangekommen bei der Mitnutzung der Umweltspuren durch Fahrräder. Insofern gibt es da auch eine stetige Weiterentwicklung.
Und so ist es halt in einem organischen System, wie es eine Stadt ist. Es geht immer einen Schritt weiter und einen Schritt weiter. Wir wollen die Radwege verbessern. Sicherlich ist ganz wichtig, eine gute Radverbindung nach Mainz brauchen wir, das ist wirklich zentral. Ich hoffe, wir kriegen endlich die Fahrradspindel an der Kaiserbrücke auf beiden Seiten, weil ich glaube, das wird vielen Pendlern den Weg auch erleichtern, nach Mainz zu kommen.
Auch die abgehängte Brücke unterhalb der Schiersteiner Brücke, die extra für den Radverkehr gebaut worden ist, geht hoffentlich bald in Betrieb. Damit sind wieder wichtige Verbindungen über das Stadtnetz hinaus realisiert worden.
Und bei der Frage: Was ist wichtig? gibt es immer zwei Meinungen. Ich kann mir da gar kein Urteil erlauben. Ich persönlich mag sowas wie die Radstraße hier, die Goebenstraße, wo man quasi ein stückweit privilegiert ist als Radfahrer und sich nicht in den normalen Verkehr einfädeln muss. Andere sagen: „Nein, wir wollen auf den Hauptmagistralen, wir wollen auf dem Ersten Ring, wir wollen auf den großen Straßen entsprechende Radinfrastruktur haben. Da gehen einfach die Interessen auch ein bisschen auseinander. Ich mag es, wenn ich selber mit dem Rad unterwegs bin, auf der Fahrradstraße quasi einen schönen, geschützten Raum habe und eben nicht mit dem großen Autoverkehr mitfließen muss.
Frage 6: ESWE Verkehr | Wie lassen sich die Finanzierung von ESWE Verkehr langfristig sichern und Fahrplankürzungen vermeiden?
Ich will mal ein ganz anderes Thema zuerst zum Verkehr ansprechen, weil mich das immer wieder bewegt und weil ich das auch auf Betriebsversammlungen sage. Ich finde, ESWE Verkehr ist in den letzten Jahren sehr zu Unrecht zum politischen Spielball geworden. Da gibt es politische Interessen, die sich nicht mit dem Unternehmensinteressen decken. Und das finde ich eigentlich schade, weil es doch darum gehen muss, dass wir möglichst viel Verkehrsleistung auf die Straße bringen . Ein Unternehmen, das jedes Jahr 55 Mio. Menschen transportiert: Da gilt es erst mal Respekt zu haben gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Busfahrern, den Kontrolleuren, denen, die die Technik, die Logistik machen, die dahinterstehen. Und etwas weniger politischen Eifer im Umgang mit ESWE Verkehr finde ich sehr gut.
Was die Finanzierung betrifft, da bin ich froh, dass es in das Jahr 2025 gelungen ist, ESWE Verkehr so zu finanzieren, dass wir die Rückkehr zum Normalfahrplan möglich gemacht haben. Da gibt es auch noch andere Probleme. Außer der Finanzierung ist nämlich das Personalproblem. Aber das ist auch im Wesentlichen durch entsprechende Dienstleister und Fremdvergaben geregelt worden. Und ja, natürlich habe ich ein großes Interesse daran, dass der Verkehrszuschuss stetig fließt.
Aber am Ende sind wir auf der kommunalen Ebene daran gebunden, jedes Jahr neue Haushalte zu beschließen. Und deswegen gibt es auch jedes Jahr eine neue Debatte. Ich denke, niemand wird bei ESWE Verkehr große Einsparungen realisieren wollen, weil es einfach nicht geht. Das würde den Betrieb schaden. Im Gegenteil, Wir brauchen zusätzliche Investitionen. Wir brauchen in naher Zukunft einen neuen Betriebshof, weil der Betriebshof so nicht mehr geht.
Wir brauchen weiter Investitionen ins Material, sprich in Fahrzeuge. Auch das ist ein großer Kostenfaktor. Und natürlich wollen wir auch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anständig bezahlt werden, sonst verlieren wir in der Konkurrenz mit anderen Arbeitgebern auch die notwendigen Kräfte, die wir brauchen. Insofern Ja, wir brauchen stabile Finanzen für mehr Verkehr. Das kann der Oberbürgermeister nicht allein machen. Das entscheiden die Stadtverordneten. Aber ich bin da sehr klar sortiert.
Frage 7: Straßenbahn | Citybahn abgelehnt, Probleme bleiben: Was ist Plan B? Kann Wiesbaden langfristig ohne Schienennahverkehr auskommen?
Ich habe ja entschieden für Die Citybahn gekämpft, aber da eine politische Niederlage, eine Abstimmungsniederlage hinnehmen müssen, das gehört zur Politik manchmal dazu und das ist auch etwas, was ich bedauere, was ich aber akzeptiere. Und insofern bin ich der Auffassung, es ist jetzt nicht der Moment, eine neue Debatte zu führen, sondern ich habe ja schon gesagt, mir geht es momentan vor allen Dingen darum, dass man die Aartalbahn reaktiviert. Ich glaube, das ist schon mal ein wichtiger Schritt, um tatsächlich beim Thema Schienenverbindungen voranzukommen. Ich glaube auch, dass die Rheingaulinie noch Potenzial hat. Ich wäre froh, wenn wir die Ländchesbahn etwas mehr bespielen könnten.
Insofern würde ich die Debatte [über eine Straßenbahn, Anm.] jetzt nicht aufmachen wollen. Mir ist klar, sie wird immer wieder kommen. Es ist auch ein Mangel, dass Wiesbaden das nicht hat. Aber die Bürgerinnen und Bürger haben diesen Mangel mit ihrer Abstimmung in Kauf genommen und deswegen finde ich, muss man auch den Ausgang des Bürgerentscheids akzeptieren. Wir wissen nicht, welche Effizienzgewinne andere technische Systeme irgendwann noch erlauben. Das wissen wir nicht. Wir wissen nicht, ob irgendwann autonomes Fahren kommt oder ähnliches. Ich bin da sehr skeptisch. Wir wissen es einfach noch nicht, bin ich nicht jemand, der da technologiegläubig ist. Insofern lässt sich das nicht abschließend sagen.
Die Argumente sind damals alle ausgetauscht worden. Die Stadt hätte erhebliche Bauarbeiten auch in Kauf nehmen müssen. Das gehört zur Wahrheit dazu. Wir hätten dabei aber wahrscheinlich unsere gesamte Leitungsinfrastruktur, jedenfalls da überall, wo die Strecke ist, gleichzeitig sanieren können.
Momentan haben wir noch eine andere Herausforderung, nämlich die Wärmewende. Das war damals noch kein Thema. Wir müssen momentan sowieso nahezu die gesamte Stadt einmal umgraben, um die Wärmewende in Wiesbaden zu realisieren. Ob da drauf noch ein so großes Projekt jetzt sinnhaft umzusetzen wäre, daran kann man schon auch Zweifel haben.
Frage 8a: Fußgänger | Wie nehmen Sie Wiesbaden aus Fußgängersicht wahr? Kann Wiesbaden wirklich Fußgängerstadt Nr. 1 werden – und wie?
Also ich bin in der Innenstadt viel zu Fuß unterwegs, weil wenn ich Termine im, sagen wir: historischen Fünfeck habe, dann mache ich sie auch schon aus Effizienzgründen häufig zu Fuß. Und insofern finde ich da die Situation für Fußgänger und Fußgänger akzeptabel. Wir haben da natürlich auch immer Herausforderungen. Sie haben sie beschrieben, aber da, finde ich, geht es gut. Wir haben dann aber die Wohnquartiere, in den Wohnquartieren wird halt auch viel wild geparkt, weil sich nicht jeder an die Regeln hält, weil E-Scooter im Weg stehen. Weil aber auch Fahrradfahrer nicht immer den freundlichsten Umgang mit Fußgängern pflegen. Das gehört ja zur Wahrheit auch dazu.
Insofern wäre ich dankbar, wenn insgesamt da etwas weniger Konfliktpotential wäre. Und ja, wir wollen eine fußgängerfreundliche Stadt sein. Das ist das gesündeste und umweltfreundlichste, jedenfalls auf der kurzen Strecke, was man machen kann. Und wir sind da ja auch nicht schlecht aufgestellt. In Wiesbaden gibt es tatsächlich breite Fußwege, jedenfalls an vielen Stellen. Wir haben einige Ortsteile, da gibt es nur das sogenannte Schrammbord. Das ist dann ja wirklich ein ganz schmaler Fußweg. Aber da darf man ja dann normalerweise auch auf der Straße laufen. Aber gerade im Bereich innerhalb des zweiten Rings ist doch die Situation für die Fußgänger überwiegend gut.
Was wir dringend, dringend in Angriff nehmen müssen, ist das Thema Barrierefreiheit. Also Menschen, die aus irgendeinem Grund nicht so mobil sind wie andere, möglicherweise wegen einer Seheinschränkung oder wegen einer Einschränkung in der Motorik, weil sie angewiesen sind auf einen Rollator oder auf einen Rollstuhl oder auf ein anderes technisches Hilfsmittel. Die klagen zu Recht darüber, dass unsere Stadt nicht barrierefrei genug ist. Ich finde, da muss sich deutlich etwas ändern.
Ich finde, solche Ziele wie die Fußgängerstadt Nr. 1, wer will das wirklich beurteilen? Man kann solche Formulierungen wählen, aber das, finde ich, ist immer eher Politik-Marketing als reales Handeln. Worum geht es konkret? Um das, was ich gerade gesagt habe: möglichst gute Bedingungen für Fußgängerinnen Fußgänger zu haben, möglichst gute, barrierefreie Fußwege zu haben. sicherzustellen, dass unsoziales Verhalten in irgendeiner Art und Weise auch tatsächlich geahndet wird, soweit es geht. Das heißt, wer auf dem Gehweg parkt, muss damit rechnen, dass er dafür ein Bußgeld bezahlt, weil es einfach kein Umgang miteinander ist. Wer auf dem Gehweg Fahrrad fährt, obwohl er das nicht dürfte, ist auch nicht besonders angesehen bei den Fußgängern. Also insofern gibt es da für alle Beteiligten was zu tun.
Frage 8b: Fußgänger | Wo ist ihr persönliches „Wohnzimmer“ im öffentlichen Raum? Was ist dort gut?
Also meine Wohnung oben auf dem Kohlheck, da ist es einfach so, da bin ich in zwei Minuten im Wald. Das ist dann nochmal eine ganz andere Situation. Insofern kann ich dazu wenig sagen. Nicht unbedingt mein Wohnzimmer, sondern eher meine Terrasse: Wenn ich aus dem Rathaus gehe, dann stehe ich auf dem Schlossplatz. Ich finde, der Schlossplatz ist ein für Fußgänger wirklich guter Platz.
Aber natürlich gibt es auch Orte, wo es schwierig wird. Auch bei mir auf dem Kohlheck, das ich habe gerade angesprochen, da wo ich das Schrammbord habe, wo tatsächlich nur ein ganz normaler Fußweg ist, wo Menschen sehen, die wissen, wie soll ich mich bei so einem Fußweg mit so einem Rollator klarkommen, weil sie auch Angst davor haben, dann anschließend auf der Fahrbahn sich mit dem Rollator fortzubewegen? Das ist sicherlich etwas, was man verbessern kann, aber da ist nicht so viel Autoverkehr, als dass es vollkommen aussichtslos ist, sich da auch als Fußgänger sicher zu bewegen.
Ich verbringe viel Zeit gerade in der Fußgängerzone. Ich finde, die Fußgängerzone hat eigentlich eine gute Aufenthaltsqualität. Nicht so, dass es nicht noch besser gehen könnte. Das geht immer. Aber ich finde, es gibt schöne Flecken und bei gutem Wetter sich mit einem Eis irgendwo hinsetzen: gerne.
Frage 9: Bus-/Umweltspuren | Was ist Ihre Position zu Bus- und Umweltspuren in Wiesbaden – Zukunft, Notwendigkeit und Verbesserungen?
Also erst einmal halte ich die Busspuren, so wie sie sind, für essenziell für einen verlässlichen Busverkehr. Ich glaube, wir würden den Busverkehr so nicht abwickeln können, wenn es die Busspur nicht gäbe. Sie sind auch überwiegend ja auch gleichzeitig Umweltspuren, das heißt, sie sind auch für Radfahrerinnen und Radfahrer zu nutzen. Und – aber das weiß ich nur aus der Zeitung – da gibt es ja offensichtlich auch eine Liberalisierung bei den Taxis, was ich im Grunde genommen auch richtig finde, weil auch das Taxi stärkt eigentlich diesen Sharing-Gedanken, den ich vorhin schon mal genannt habe.
Das heißt, ich kann meine individuelle Mobilität ja damit verbessern. Insofern finde ich, die Umweltspuren sind ein Gewinn. Es wird zu wenig darüber diskutiert, was die Ursache dafür, jedenfalls überwiegend, ist: Das war nämlich die drohende Klage der Deutschen Umwelthilfe für ein Dieselfahrverbot wegen der hohen Stickoxidwerte, die wir in Wiesbaden hatten. Und die Umweltspuren gehören zu dem großen Maßnahmenkatalog, der schon vor meinem Amtsantritt von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen worden ist, um ein Dieselfahrverbot zu verhindern. Das rufe ich nur in Erinnerung zurück, denn ein Dieselfahrverbot hätte dazu geführt, dass beispielsweise Handwerkerinnen und Handwerker im großen Umfang ihre Autos nicht mehr hätten nutzen können. Und auch viele Privatpersonen. Das geht in der Debatte häufig unter.
An welchen Stellen weitere Umweltspuren notwendig sind, die Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich denke, wir wollen auf dem Ersten Ring entlang des Hauptbahnhofes weitermachen. Das halte ich nicht für so zwingend, weil nach dem Hauptbahnhof hoch Richtung Berliner Straße die Situation, finde ich, eigentlich relativ entspannt ist. Aber ich glaube, das ist in der weiteren Planung so vorgesehen. Und natürlich muss der Busverkehr vor allen Dingen auf den großen Magistralen fließen, sprich: auf der Schiersteiner Straße, auf der Mainzer Straße, auf der Berliner Straße, auf den großen Wegen und natürlich auf dem Ersten Ring. Und ich glaube, da haben wir mit den Umweltspuren auch einen guten Fortschritt erzielt.
Frage 10: Superblöcke | Wie reagieren Sie auf die Wünsche für verkehrsberuhigte Quartiere – mehr Lebensqualität oder Angst vor Autoverdrängung?
Also ich finde es auch wichtig, dass es nicht zu einem Verdrängungssituation empfunden oder real kommt. Trotzdem glaube ich, kann man die Lebensqualität gerade in den historisch gewachsenen Vierteln deutlich verbessern. Da finde ich den Super-Block eine Variante. Wir haben auch andere Dinge gemacht: Wenn ich mir die Gerichtsstraße angucke, die ja wirklich das Vorzeigeprojekt geworden ist, wo ich eine Fußgängerzone, wenn auch nur eine kurze, mit besonders hoher Aufenthaltsqualität habe, zwischen Straße und Moritzstraße vor dem Alten Gericht, das ist eine wirklich, wie ich finde, sehr, sehr gelungene Konstellation. Da haben Bürgerinnen und Bürger tatsächlich Freiraum zurückbekommen und das kann ich mir auch in anderen Stadtquartieren durchaus vorstellen. Ob dass dann das Modell Superblock ist oder ob man Fahrradstraßen macht oder ob man Spielstraßen macht oder ob man andere Möglichkeiten, die einem die Straßenverkehrsordnung für Verkehrsplanung überlässt, realisiert. Davon verstehe ich aber nicht genug, aber ich finde, dass man Lebensqualität in die Quartiere bringt, ist ein richtiger und wichtiger Anspruch.
Auf der anderen Seite gibt es eben auch Menschen, die sind auf das Auto angewiesen. Ich finde, wir haben eine gute Lösung gefunden am Elsässer Platz mit dem neuen Parkhaus. Das heißt, wir verwandeln hier ja keine Straßenfläche, sondern eine Parkplatzfläche, um eine grüne Oase in einem der am engsten besiedelten Quartiere Deutschlands und allemal Wiesbadens zu schaffen.
Nur kann ich halt auch im Altbaubestand nicht überall solche „Mobilitätshäuser“ hinbauen. Das ist einfach auch ein Ding der Unmöglichkeit. Finanziell aber eben auch, weil ich den Platz dafür nicht habe. Da war die Konstellation halt günstig. Insofern muss man sehr unterschiedliche und sehr individuelle Lösungen finden.
Frage 11: Ostfeld und Straßenbahnanbindung | Wie stehen Sie dazu?
Sowohl die Stadtverordnetenversammlung selber hat bei ihrem Begleitbeschluss zur städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme Ostfeld, als auch die Regionale Planungsversammlung in dem sogenannten Zielabweichungsverfahren zum Ostfeld festgelegt: Es muss eine Schienenanbindung geben. Und diese Schienenanbindung wollen wir realisieren. Wir haben inzwischen unterschiedliche Planfälle untersucht, sozusagen von dem Modell klassische S-Bahn auf Eisenbahntrasse nach Eisenbahnrecht geplant und gebaut, bis hin zum Thema Planung auf der Grundlage des Straßenbahnrechts, die andere Radien, andere Steigungen, natürlich auch andere Fahrzeuge vorsieht. Wir haben bis heute noch keinen Planfall gefunden, der förderfähig ist.
Deswegen gibt es dazu den Auftrag, weitere Untersuchungen vorzunehmen, um einen förderfähigen Planfall herauszuarbeiten. Das ist das, was wir wollen. Mein persönlicher Favorit wäre im Grunde genommen ein Zweisystemfahrzeug, eine Bahn, die tatsächlich im Zwei-System- Fahrzeugbetrieb gefahren wird, wo ich sozusagen ein Fahrzeug habe, das sowohl Straßenbahnqualitäten hat, als auch Regionalbahn-Qualitäten. Das gibt es ja durchaus in einigen Bereichen. Denn ich glaube, das wäre das flexibelste.
Aber davon sind wir noch weit entfernt. Das ist, glaube ich, noch nicht das, was am Ende dabei rauskommen wird. Wir brauchen noch weiter Untersuchungen, aber es ist ganz klar: Es gibt die politische Verabredung in der Stadt und es gibt die politische Vorgabe von der Regionalversammlung, dass das Ostfeld im Wohnquartier mit einer Schienenanbindung zu planen ist.
Für das BKA haben wir eine Lösung: Das Ostfeld besteht ja aus zwei Bereichen, darunter im nördlichen Teil die Ansiedlung des Bundeskriminalamtes. Das kann erschlossen werden über die Strecke der Ländchesbahn, da muss einfach nur ein zusätzlicher Haltepunkt vorgesehen werden. Deswegen sind wir beim BKA, auch was den Schienenanschluss betrifft, deutlich weiter als beim Wohnquartier.
Ich habe unter anderem dafür gesorgt, dass in den Wettbewerbsunterlagen drinsteht, dass es eine Schienenanbindung sein muss, die keine Trennungswirkung innerhalb des Quartiers entfaltet. Das schließt im Prinzip große Ingenieurbauwerke, Dämme, Brücken, Einkesselung aus, weil ich dann immer in diesem Wohnquartier eine entsprechende Trennungswirkung habe. Aber das sagt ja nichts darüber aus, wie diese Bahn nördlich und südlich des Ostfeldes angeschlossen wird. Und deswegen habe ich immer wieder die Vorstellung entwickelt, ein Zwei-System- Fahrzeug wäre möglicherweise eine Antwort darauf. Aber da wissen wir noch nicht, ob es zu förderfähigen Lösungen kommt oder nicht.