Zum Inhalt springen
Startseite » OB-Wahl 2025 » OB-Wahl 2025: Gesine Bonnet

OB-Wahl 2025: Gesine Bonnet

Transkript

Frage 1: Prioritäten | Welche drei Maßnahmen sollen die Mobilität in Wiesbaden verbessern?

Grundsätzlich würde ich sagen, die Mobilität ist extrem wichtiges Thema für alle Menschen, egal auf welche Weise sie unterwegs sind. Wir müssen Mobilität so organisieren, dass wir alle zusammen gut vorankommen. Und da spielt es natürlich eine wesentliche Rolle, dass wir den Umweltverbund stärken. Sonst werden sich die Autos gegenseitig im Weg stehen.

Für mich ist es deswegen unbedingt wichtig, dass wir den ÖPNV weiterentwickeln. Wir haben ja auch schon einen Nahverkehrsplan im Stadtparlament verabschiedet, der auch eine ganze Reihe von Verbesserungen vorsieht. Es wurde ja versucht, von Grund auf eine Reform des Bussystems zu entwickeln, damit er effizienter, schneller wird, damit man mehr Direktverbindungen hat, bessere Anbindung der Vororte, etc. Das ist ein großes Projekt, das gibt es in einer Basisversion und wird aber auch in einer Zielversion angedacht. Mein Anspruch wäre, dass wir dorthin kommen, auch wenn es in der Zielversion mehr Geld kosten wird. Das ist etwas, das die Stadtverordnetenversammlung dann entscheiden müsste. Das ist der eine Punkt.

Der weitere Punkt ist, dass wir unser Radverkehrsnetz auch weiterentwickeln müssen. Wir sind da sicherlich auch schon – das darf ich auch als Stadtverordnete, die ich ja auch bin, sagen – ein gutes Stück vorangekommen. Wiesbaden war ja im ADFC-Fahrradklimaindex lange Zeit das Schlusslicht und ist, ich glaube, 2020 das erste Mal signifikant aufgestiegen auf den siebten Platz. Und seitdem immer so im vorderen Drittel. Das ist ja schon mal ein gutes Stück des Weges gegangen. Aber es gibt noch viel zu tun, damit wir durchgängig sichere, komfortable Radwege haben. Das wäre das zweite.

Und das dritte ist natürlich auch der Fußverkehr. Wiesbaden ist eine Fußgängerstadt. Immerhin, da gibt es recht viele, die zu Fuß unterwegs sind – im Vergleich zu anderen Städten. Und auch da müssen wir gucken, wie wir die Fußwege barrierefrei und sicher machen und auch das Zufußgehen in dieser Stadt weiterhin zu einem Genuss machen.

Frage 2: Tempo 30/40 | Meinung zu den neuen Tempo 30/40 Regelungen im Innenstadtbereich

Ich finde diese Regelung sehr gut, habe sie auch in meiner Funktion als Stadtverordnete mit vorangebracht.  In einer Stadt, wo so viel mehr Menschen auf relativ engem Raum leben, ist es wichtig, dass wir die Geschwindigkeit anpassen, aus Lärmgründen – das war ja ein wichtiger Punkt, auch um das Tempolimit rechtlich zu ermöglichen -, aber natürlich auch, um mehr Sicherheit im Verkehr zu bekommen. Es gibt ganz viele Kinder, ich habe auch Erfahrungen selbst als Mutter, daher weiß ich, dass für Grundschulkinder, die in die Schule gehen, schon Tempo 50 eine recht hohe Geschwindigkeit darstellt, wenn gleichzeitig Fußgänger queren, Ampeln und Fußwege da sind. Deswegen finde ich das sehr gut, dass uns das Tempolimit gelungen ist. Und ich finde es auch richtig, dass wir differenzieren zwischen Tempo 40 auf den innerstädtischen Hauptverkehrsachsen und sonst in den Wohngebieten 30, damit wir keine Schleichverkehre erzeugen durch die Wohngebiete.

Zumindest im ersten Schritt bringt es eine Umgewöhnung für die Menschen. Aber es ist ja eine Logik dahinter und man versteht sich eigentlich recht schnell: Der erste Ring zum Beispiel, obwohl da auch sehr, sehr viele Menschen leben, ist Tempo 40, weil wir wollen, dass die Leute, auch die Busse, dort gut vorankommen. Sobald man in Nebenstraßen geht: Tempo 30.

Und wir hatten, ehrlich gesagt, auch vorher schon ein Stückwerk. Zum Beispiel war es ja auch für uns immer wichtig, auch als Kommunalpolitiker übrigens, nicht nur in der Innenstadt, sondern auch ganz viel in den Vororten. Das war auch ein ganz großes Thema für CDU-geführte Ortsbeiräte: Tempo 30 um Schulen zum Beispiel, damit Kinder sicher zur Schule kommen. Das gibt es auch hier und eigentlich, würde ich meinen, ist da jetzt sogar mehr System eingebracht.

Frage 3: Autoverkehr | Aktuelle Autoverkehr-Situation in Wiesbaden: Beurteilung und Konzepte

Ja, es gibt viel Stau und es gibt auch viel Ärger. Sehen wir die Frage „Was ist die Ursache?“: Aus meiner Sicht gibt es nicht zu wenig Platz für Autos oder zu wenig Parkplätze, sondern es gibt schlicht zu viele Autos. Die Quote des Autobesitz ist in dieser Stadt kontinuierlich gestiegen. Das heißt, oft haben Zwei in einem Haushalt schon zwei Autos. Das kann rein rechnerisch nicht funktionieren. Und wenn man noch hinzunimmt, dass wir hier in Wiesbaden sehr viel Einpendler haben, auch sehr, sehr viele Durchpendler, weil es immer noch lohnender ist, durch die Stadt zu fahren, als die Straßen um die Stadt herum zu nehmen, dann müssen wir uns nicht wundern, dass wir diese Engpässe haben.

Und wir müssen eine Lösung finden. Die Lösung kann aus meiner Sicht nicht lauten, dass wir noch mehr Platz für Autos machen. Damit wird das Problem nicht zu lösen sein. Ich würde weiter darauf setzen, dass wir den ÖPNV stärken, in einem Bus passen, was weiß ich, 200 Menschen rein. Wenn man sich vorstellt, dass ein Auto mit 1,3 oder 1,6 Personen besetzt ist im Schnitt kann man sich ja schon vorstellen, wie viele Menschen in einem Bus über eine Ampel kommen oder wie viele Autos nötig wären, damit dieselbe Anzahl Menschen über eine Ampel kommt.

Das heißt, wir brauchen ein effizienteres System, was am Ende allen zugutekommt und auch denen, die auf ein Auto angewiesen sind. Natürlich gibt es Leute, die können wir auch mit einem noch so gut ausgebauten ÖPNV schwer erreichen. Pendler etwa im Schichtdienst aus den Vororten. Dass das nicht einfach ist, kann ich verstehen. Aber dann wenigstens versuchen, die Alternativen so attraktiv wie möglich zu machen, damit für die, die ja aufs Auto angewiesen ist, genügend Platz ist.

Und was auch wichtig ist, dass wir den Durchgangsverkehr möglichst rausholen, dass wir es mehr nahelegen, dass die Leute mindestens mal über den zweiten Ring fahren. Und das wird ja versucht durch entsprechende Ampelschaltungen, auch durch Partnerampeln, um damit eine andere Verkehrslenkung hinzubekommen. Diese spiegelt sich dann hoffentlich auch irgendwann in den Navis wider, sodass Leute, die wir hier de facto nicht gut in der Stadt brauchen können, weil sie ja auch hier gar nicht bleiben wollen, sondern nur durchfahren, dass diese automatisch auf einen anderen Weg geleitet werden.

Frage 4: Modalsplit | Zukunft des Modalsplits in Wiesbaden: Welche Konzepte und Vorbilder aus Wissenschaft und anderen Städten gibt es?

Tatsächlich, im Verhältnis zu anderen Städten werden in Wiesbaden relativ viele Wege mit dem Auto zurückgelegt. Ich glaube, es sind ungefähr 49 %. Das ist zu hoch. Aus meiner Sicht müssten wir zu einem Modal Split kommen, in dem ungefähr ein Drittel Autos, ein Drittel auf den Fußverkehr und ein Drittel auf Bus und Fahrrad entfallen. Das wäre, glaube ich, eine gute und verträgliche Aufsplittung. Dazu können die genannten Maßnahmen, vor allem ein verbesserter ÖPNV, beitragen. Auch Carsharing im Übrigen. Zwar bedeutet Carsharing, dass die Leute weiterhin Auto fahren, aber immerhin ist es ein Auto, das mehrere Leute gemeinsam nutzen und deutlich weniger Platz einnimmt. Ja, das ist also auf jeden Fall auch noch wichtig. Da haben wir auch schon einiges erreicht.

Wir müssen tatsächlich aus meiner Sicht die Alternativen zum Auto so attraktiv wie möglich machen. Darauf kommt es wesentlich an, dass man weiß: „Okay, ich komme mit dem Bus gut dahin, wo ich hinkommen möchte.“ Dazu dient ja jetzt auch eine Entwicklung des Bussystems nach Maßgabe dieses neuen Nahverkehrsplans. Und genauso, dass wir Radwege haben, die sicher zu fahren sind, auch überörtliche Radwege. Ich finde es auch ganz wichtig, dass wir zum Beispiel den Radschnellweg nach Mainz oder in Richtung Frankfurt ausbauen, weil ich glaube, dass auch das für viele Pendler hoch attraktiv ist. Die Leute wollen ja auch gesund leben. Und wenn man das gleich auf dem Weg verbinden kann, ist es gut.

Also diese Angebote attraktiv zu machen, Fahrradwege auch für auch für Kinder und Jugendliche zum Beispiel mit Protected Bike Lanes auszustatten, damit man das Gefühl hat, dort gut fahren zu können.

Und im Fußverkehr ist es genau das Gleiche. Wir haben natürlich überall Fußwege, die sind aber oftmals so eng, dass man, das weiß ich selbst als Mutter mit Kinderwagen, kaum durchkommt. Wahrscheinlich erst recht auch nicht, wenn man Rollstuhlfahrer/in ist. Und da müssen wir diese verschiedenen Verkehrsarten einfach sehr viel gleichberechtigter entwickeln und bedenken.

Ich bin eine große Freundin der Niederlande und immer wenn man wieder dort ist, entdeckt man eine ganz andere Kultur des Fahrradfahrens. Dann merkt man auch, dass das nicht nur eine Frage der Technik und der Infrastruktur ist, sondern auch eine kulturelle Frage, wie weit man bereit ist, mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Wir wissen aber auch, dass andere Großstädte in Deutschland ja einen anderen Modal Split haben. Das heißt, man kann da hinkommen. Gut, das sind oftmals Städte, die etwas anders ausgestattet sind. Wenn man zum Beispiel ein Schienensystem hat im ÖPNV, auch das hilft natürlich sehr sofort, weil wir wissen: Den meisten Menschen, die dann auch mal mit U-Bahn, S-Bahn, Straßenbahn fahren, ist es leichter verständlich. Man kommt besser voran. Ist dann natürlich leichter, einen anderen Modal Split zu haben. Und, was man in Wiesbaden aber auch berücksichtigen muss: Wir sind ja eine Stadt, die gleichzeitig einen urbanen Kern hat, aber auch eine ganze Reihe dörflicher Vororte, also relativ in die Fläche hinein. Auf längeren Wegen eine kleinere Anzahl von Menschen, die in einem dieser dörflichen Vororte leben, zu transportieren, das ist eine Herausforderung für den ÖPNV. Das muss man einfach sagen. Wie kriegen wir das hin, dass es bezahlbar ist und in einer vernünftigen Taktung?

Frage 5: Radverkehr | Wie kann Wiesbaden die Radinfrastruktur sicherer und attraktiver gestalten?

Ja, wie eben gesagt: sichere komfortable, im Winter geräumte und aber auch durchgängige Radwege. Wir haben, glaube ich, schon viel erreicht, aber es sind immer noch überall Lückenschlüsse nötig. Wir können auch noch mehr Fahrradstraßen gebrauchen. Ich glaube, dass wir auch Teile des Radsterns des ADFC umsetzen müssen. Nun haben wir immerhin eine Fahrradstraße durch die Mosbacher Straße und auch die Goebenstraße. Einer meiner großen Wünsche, schon von Anfang an dem Ortsbeirat Mitte, war, dass wir die Adelheidstraße bis Rüdesheimer Str. zu einer Fahrradstraße machen. Das fände ich sehr gut.

Auch in der Rheinstraße zum Beispiel, wo die Radwege, streckenweise abgetrennte Radwege, jenseits der parkenden Autos, zum Teil ja wirklich schon gut sind, müssen die durchgängiger werden. Das würde ich priorisieren, dass wir wirklich von der Ringkirche bis runter mindestens zur Wilhelmstraße kommen.

In der Erich-Ollenhauer-Straße gibt es ja auch schon einen Bereich, der ganz gut ausgebaut wurde, das wäre eine super Verbindung, dass man von Dotzheim richtig gut nach Briebrich runter, dann durch den Grundweg ja auch schön durchs Grüne kommen kann. Solche häufigen Wege, auf die kommt es an und ich glaube, es ist auch ganz, ganz wichtig, dass wir hier eng zusammenarbeiten, etwa mit dem ADFC und anderen aus der Radlerszene, sage ich jetzt mal, denn die wissen gut, wo gefahren wird, welche Strecken sich anbieten. Wo können wir auch einerseits Schleichwege noch ausbauen, andererseits natürlich aber auch auf den Hauptstraßen, das wäre mir wichtig, auch die radverkehrsfreundlich halten.

Ich glaube, wir sind ein gutes Stück vorangekommen. Das zeigt der ADFC-Fahrradklimaindex. Aber es geht einfach darum, weiter dranzubleiben, auch Geld zur Verfügung zu stellen im Haushalt. Denn das ist auch immer ein wichtiger Punkt: Ohne Geld kommen wir nicht voran.

Frage 6: ESWE Verkehr | Wie lassen sich die Finanzierung von ESWE Verkehr langfristig sichern und Fahrplankürzungen vermeiden?

Dazu muss man sagen, das Haushaltsrecht ist eben das der Stadtverordneten.

Ich spreche ja jetzt in der Rolle einer OB-Kandidatin, ein Oberbürgermeister / eine Oberbürgermeisterin kann natürlich sich einbringen und auch ihre Stimme deutlich machen. Die Haushaltsverhandlungen aber, das entscheiden die Stadtverordneten. Und natürlich sind die Kommunen finanziell nicht so ausgestattet, wie man sich das wünschen könnte. Ja, ich glaube, wir brauchen auch noch mehr Mittel von Bund und Land in ganz verschiedenen Politikbereichen, aber auch im öffentlichen Nahverkehr, um ihn gut auszubauen. Das ist der eine Punkt.

Ich selber war in diesen Haushaltsverhandlungen führend für die Grünen mit dabei. Mir und uns war es ein sehr wichtiges Anliegen, dass wir wirklich deutlich mehr Geld zusetzen. Das mussten wir auch allein deswegen, weil der ÖPNV in Wiesbaden als reiner Busbetrieb sehr personalintensiv ist und die Tarifsteigerungen entsprechend abgebildet werden mussten.

Ich hoffe, dass wir dieses Niveau halten. Ja, es ist sogar die Frage, was kommt noch an Steigerung? Was kommt durch weitere Tarifverhandlungen auf uns zu? Das kann man immer nicht so genau absehen. Oder wie entwickeln sich auch die Energiepreise?

Aber unser Anspruch ist es schon, dass wir in die Finanzierung ein bisschen mehr Kontinuität reinbringen. Weil es für das Unternehmen eine riesige Herausforderung ist, erst hochzufahren dann wieder runterzufahren, etc. Es sollte also so sein, dass wir ein Niveau halten und ja, mit guter Vorbereitung die Weiterentwicklung voranbringen und dafür auch die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen. Das wäre auch mein Anspruch. Denn auch für die Bürger ist das natürlich auch eine riesige Herausforderung, klar, dieses Hin und Her.

Allerdings, es ist einfach auch sehr teuer, um nur Zahlen zu nennen: Wir hatten im letzten Jahr im Haushalt knapp 60 Millionen städtischen Zuschuss, wir haben jetzt rund 64 Millionen. Wir haben auch mit der ESWE Verkehr sehr intensiv zusammengesessen, um zu gucken, wo man noch mehr einsparen könnte. Welche Möglichkeiten gibt es zum Beispiel auch im Verwaltungsbereich, einzusparen? Wie kann das Unternehmen effizienter werden, damit auch wirklich das Geld optimal eingesetzt wird für einen nutzerfreundlichen ÖPNV?

Aber natürlich, das sind riesige Summen. Bei einem städtischen Haushalt von 1,6 Milliarden, da klingt das erst mal viel, aber da macht es einen erheblichen Batzen aus. Wir haben ja auch den Sozialbereich, den Kulturbereich, viele, die ihre Bedarfe haben.

Aber wir haben auch gelernt, um das noch zu sagen, dass ein guter ÖPNV auch eine sozialpolitische Errungenschaft ist. Das hat auch was mit Kultur und Wirtschaftspolitik zu tun, dass die Leute abends aus dem Theater zurückkommen können, wenn die Busse noch gut fahren. Und dass sie dann auch erst recht hingehen, dass sie in die Gastronomie gehen, dass die Mitarbeitenden pünktlich zur Schicht in ihren Unternehmen kommen können. Das wird jetzt, glaube ich, viel deutlicher als vorher.

Frage 7: Straßenbahn | Citybahn abgelehnt, Probleme bleiben: Was ist Plan B? Kann Wiesbaden langfristig ohne Schienennahverkehr auskommen?

Tatsächlich ist es so: Die Bürgerschaft in Wiesbaden hat entschieden, dass wir hier keine Straßenbahn haben. Das liegt jetzt allerdings schon eine gewisse Zeit zurück. Wir haben aber auch als Politik darauf reagiert, und ich hatte es ja dargelegt, dass der Nahverkehrsplan, der jetzt auch mit ganz viel Bürgerbeteiligung entwickelt wurde, in einer ersten und zweiten Ausbaustufe voll auf ein Bussystem setzt. Das würde so funktionieren.

Aber natürlich muss man sich fragen, gerade wenn diese Stadt wächst und man wirklich auch ein gut bezahlbares, effizientes ÖPNV System haben will, was wird dann? Wahrscheinlich wird irgendwann an einer Schienenlösung kein Weg vorbeiführen. Und erst recht, wenn die Stadt auch mit neuen Neubaugebieten wächst. Das ist klar, auch zugunsten der Autofahrenden, das muss man immer sagen.

Wir merken auch jetzt, wenn wir den Busverkehr ausbauen, das ist im Nahverkehrsplan ja auch so vorgesehen, muss es auch mehr Umweltspuren geben. Sonst funktioniert das nicht. Wir wollen ja, dass die Leute auch wirklich gut vorankommen, dass sie sehen, der Bus ist zügig, und sich sagen: „Also, das nächste Mal versuche ich es mal statt mit dem Auto mit dem Bus und komme dann schneller an mein Ziel. Das braucht Platz. Die eine Straßenbahn braucht weniger Platz. Und gleichwohl, das ist jetzt erst mal der Weg, den wir gehen. Und ich glaube, diese Stadt braucht noch etwas Zeit. Und dann muss man aber immer wieder prüfen. Aus der fachlich planerischen Sicht ist die Sache ja relativ klar, dass das sinnvoll wäre.

Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten, das von Fachplanern entwickelt wurde. Und das ist, kann man glaube ich nur unterstreichen, eben gerade kein Gefälligkeitsgutachten, wie es die Politik will, wo bestimmte Sachen tabuisiert werden. Oder wie es in der Stadtverordnetenversammlung dargelegt wurde, als sollte da durch die Hintertür würde eine Straßenbahn eingeführt wird. Nein, wir setzen hier auf Busse. Aber man kann nicht darum herumreden, dass es effizientere Lösungen gäbe.

Frage 8a: Fußgänger | Wie nehmen Sie Wiesbaden aus Fußgängersicht wahr? Kann Wiesbaden wirklich Fußgängerstadt Nr. 1 werden – und wie?

Also ich gehe auch gerne zu Fuß, auch wenn ich aus Zeitgründen dann doch häufig das Fahrrad nehme. Aber tatsächlich würde ich sagen: Diese Stadt eignet sich um zu Fuß zu gehen. Die Wege sind ja auch recht kurz. Zumindest in dem eigentlichen Stadtkern kommt man schnell überall hin in den Quartieren. Und das ist ein Pfund, mit dem wir wuchern können. Natürlich sollten wir daraus dann auch mehr machen.

Auch im Tourismus-Konzept, das die Stadt entwickelt hat, spielt das Flanieren eine große Rolle. Das heißt, das gute Zu-Fuß-Gehen es ist auch etwas, mit dem wir hier Touristen anziehen können und was auch ein wirtschaftlicher Faktor wäre.

Wir sollten an der Stelle eben genauso schauen: Wie halten wir das, was da ist, nämlich komfortable Wege, auch frei? Barrierefreiheit, usw. spielen eine große Rolle, auch für eine alternde Bevölkerung. Wir haben hier wie so oft tatsächlich diesen Zielkonflikt, dass wir Autos haben, auch von Anwohnerinnen und Anwohnern, die abgestellt werden wollen, die dann aber oft auch den Platz zum Gehen wegnehmen. Ich glaube, wir müssen an der Stelle schon gucken, dass zumindest eine Mindest-Gehwegbreite freigehalten wird. So wird es auch gehandhabt. Die Stadtpolizei kann zwar nicht überall sein und ja, wahrscheinlich müsste auch noch konsequenter kontrolliert werden, um das sicherzustellen, dass man überall gut durchkommt.

Ich kenne den Bericht [vom Projekt „Gut Gehen Lassen“] vom Querlesen. Was mir einleuchtet ist, dass wir diese strategische Perspektive deutlicher machen sollten. Vielleicht müssen wir kein Papier einer Fußwegestrategie sehr breit durch alle Stadtteile hindurch entwickeln.

Aber dass wir das auch politisch priorisieren und uns als Aufgabe setzen, sowohl in den Ortsbeiräten, aber auch unter den Bürgerinnen und Bürgern. Es kann ja auch weiter als Beteiligungsprojekt laufen, zu gucken, an welchen Stellen gibt es Hürden, wie können wir das verbessern und wie können wir auch Baumaßnahmen nutzen? Das finde ich auch gut. Wir müssen ja in dieser Zeit sehr, sehr viel bauen, zum Beispiel muss die Fernwärme in vielen Innenstadtbereichen ausgebaut werden.

Wir haben aber auch leider hier und da Wasserrohrbrüche und Glasfaser-Verlegung und wenn man das gut macht, dann könnten wir dort dabei ja auch mehr Synergien ziehen und den Fußverkehr mitbedenken. Bevor man eine Straße aufreißt, kann man ja auch mal überlegen, ob man den Straßenzuschnitt etwas ändert.

Wo wir dies auf jeden Fall vorhaben, ist auf der Schwabacher Straße, die ja auch eine sehr breite Schneise ist, die Innenstadt und Westend trennt. Wir wollen zumindest die Seite Richtung Innenstadt jetzt dieses Jahr so umbauen, dass wir da wirklich einen breiten Boulevard haben, der auch Platz für Gastronomie lässt, zum Spazierengehen und Shoppen einlädt, und dazu, in Bus und auf Räder umzusteigen. Das ist für mich so ein Leuchtturmprojekt und das könnte ich mir durchaus auch an anderen Stellen dieser Stadt vorstellen. Und da müssen wir halt immer im Hinterkopf haben, nicht nur ÖPNV und Rad, sondern eben auch das Zu-Fuß-Gehen als etwas, was diese Stadt auszeichnet, aus dem wir unbedingt mehr machen sollten.

Frage 8b: Fußgänger | Wo ist ihr persönliches „Wohnzimmer“ im öffentlichen Raum? Was ist dort gut?

Es gibt einige tatsächlich, aber wenn es wirklich um mein Wohnzimmer geht, kann ich mit gutem Gewissen sagen: Für mich ist das das Sherry & Port in der Adolfsallee – heißt ja jetzt Caspar-Garten, aber für mich bleibt es immer noch das Sherry & Port. Also dieser Brunnen mitten auf der Adolf Allee, das ist ein herrlicher Platz im Sommer und sehr belebt. Eigentlich passt da vieles, würde ich sagen.

Da laufen Fußgänger und es gibt Fahrradfahrende, die Autos stehen außen und ich kann nur sagen, das ist ja wirklich verrückt, wie weit wir uns da schon von früher wegbewegt haben. Da hatte man sich ja gedacht, das könnte so eine Art Stadtautobahn sein. Und man hat vor einigen Jahrzehnten schon mal eine Verkehrswende dort angegangen. Da gab es nämlich bis dahin auch viele Quer-Parkplätze in der Mitte, wo heute diese Allee ist.

Das hat man alles geändert und eben Spielplatz und Allee und auch diesen schön gestalteten Brunnen zur Geltung gebracht. Also da kann man eigentlich auch sehen, was aus dieser Stadt werden kann, wenn man dem Autoverkehr natürlich seinen Raum lässt, aber einfach viel mehr vom öffentlichen Raum für Begegnung, für Miteinander freihält. Das ergibt dann den Charakter eines Wohnzimmers.

Das führt auch dazu, dass die Menschen auch deswegen in die Stadt reinkommen, um zu genießen, um so etwas zu haben. Das ist urbaner Charme und das wünsche ich mir schon sehr viel mehr auch davon in der Stadt und den Mut dazu, das auch in die Wege zu leiten. Es geht nicht um Verzicht und Verlust, sondern eigentlich bei der Verkehrswende immer auch um Gewinn an Lebensqualität und letztlich Mobilität für alle.

Frage 9: Bus-/Umweltspuren | Was ist Ihre Position zu Bus- und Umweltspuren in Wiesbaden – Zukunft, Notwendigkeit und Verbesserungen?

Ich würde den Kritikern immer sagen: „Stellt euch vor, alle Leute hier im Bus würden jetzt auch noch aufs Auto umsteigen, dann wäre eigentlich so gar nichts gewonnen.“ Die Busspuren tragen dazu bei, dass wir einen attraktiveren und schnelleren ÖPNV haben. Und wir merken ja auch, dass der Busanteil leicht steigt, dass die Leute dann auch umsteigen.

Und wir müssen diesen Weg unbedingt weitergehen, um für die, die auf Autos angewiesen sind, Platz zu schaffen, davon bin ich überzeugt. Ganz abgesehen von der Luftqualität und dem Lärm und allem, was noch dazugehört. Busspuren können wir, glaube ich, auf allen möglichen Straßen, wo der Busverkehr im Stau hängt, gebrauchen. Sei es Gustav-Stresemann-Ring aber auch ganz stark auf der Dotzheimer Straße. Da fahren auch ganz viele Busse. Es ist eine der am stärksten frequentierten Busstrecken. Dort sollten wir zumindest um den zweiten Ring herum auch Umweltspuren einführen. Das halte ich für wichtig.

 Ich weiß, es gibt auch noch Nutzer Konflikt zwischen den Fahrradfahrenden auf den Busspuren und den Bussen. Also ich selber komme damit ganz gut klar. Ich vertraue auch dem Busfahrer. Das sind natürlich riesige Gefährte, aber ich finde, es funktioniert. Aber wenn wir irgendwann mal noch mehr Fahrradfahren in dieser Stadt haben, kann es natürlich eher zu Engpässen und Konflikten führen. Dann müssen wir uns noch mal anders Gedanken machen. Im Moment funktioniert es, zeigt aber, dass wir diese Weiterentwicklung unseres Verkehrssystem immer im Blick haben müssen.

Frage 10: Superblöcke | Wie reagieren Sie auf die Wünsche für verkehrsberuhigte Quartiere – mehr Lebensqualität oder Angst vor Autoverdrängung?

Ja, das sind die klassischen Zielkonflikte, auch politische Konflikte, die wir in dieser Stadt haben. Und die Verkehrspolitik ist die, an der sich maximal Konflikte entzünden. Erst im Politikbereich, das merken wir auch in der Stadtverordnetenversammlung. Da gibt es zum Beispiel diese Wochenendfeste oder überhaupt alle Feste, die wir in dieser Stadt haben. Dafür werden die Straßen natürlich auch gebraucht, sei es für das Brauchtum mit Tradition oder eben solche neuen, innovativen Feste, die auch unglaublich toll sind für die Nachbarschaft.

Die Leute lernen sich dadurch kennen und ich glaube, dass die einen ganz anderen Mehrwert haben als bloß den Verkehr. Ich finde das großartig. Man kann es in anderen Ländern, sei es in den Niederlanden, aber auch in Barcelona, sehen, was das für eine Dynamik in Gang bringt, wenn man jetzt wirklich solche Superblocks hätte. Das ist ja nur immer für ein Wochenende, gibt aber eine Idee davon.

Ich glaube, dort, wo wir jetzt neue Stadtgebiete planen, da versuchen wir das ja auch, dass es autoarmeQuartiere sind; in der Innenstadt, im historischen Fünfeck, ist das durch Fußgängerzonen natürlich eher möglich. Dass wir wirklich Autos aus den Quartieren herausbringen, das sehe ich im Moment nicht. So, solange eben auch die Bewohner selber Autos haben, wird es schwierig sein.

Und auch da würde ich immer auf den Weg gucken, dass genügend Platz auch für Fußwege und so zur Verfügung steht. Da muss man eben schauen, wo kann man es leichter machen, auf das Auto zu verzichten. Umso mehr Platz kann man dann in den Innenstädten schaffen, in den Quartieren.

Aber das ist ein langer Prozess. Das wird man wird nicht von heute auf morgen sagen können: Okay, dieses Viertel eignet sich und wir machen da jetzt zu. Und dann gibt es da einen Supermarkt, und schon geht das nicht. Also so realistisch bin ich. Aber ich glaube, es hilft, wenn die Leute merken, was für einen Charme diese Verkehrsberuhigung hat, und das dann selber organisieren.

Und dann müssen wir halt Schritt für Schritt schauen, welche Wege es noch gäbe. Und vielleicht sind wir irgendwann auch so weit, dass dieses individuelle Autobesitztum auch an Bedeutung verliert, weil es ist ja immer mehr nur um eine Funktion geht. Bisher gehört ein Auto zum eigenen Image dazu. Zumindest in Deutschland spielt das eine große Rolle.  Kann sein, dass sich die Dinge auch verändern mit den jüngeren Generationen, an die Leute viel zufriedener sind. Wenn Sie viel Carsharing, eine ganze Carsharingflotte stehen haben. Und dann braucht man gar nicht mehr so viel Parkraum.

Frage 11: Ostfeld und Straßenbahnanbindung | Wie stehen Sie dazu?

Ja, unabdingbar. Ohne eine Schienenanbindung ist dieses Ostfeld nicht zu machen. Das ist auch sowohl in dem Satzungsbeschluss so festgehalten, als auch die Vorgabe der Regionalversammlung. Und es ist auch de facto nicht anders denkbar. Wenn das so verwirklicht werden soll, wie es jetzt angedacht ist, dann werden dort rund 10.000 Menschen leben. Wie soll das sein, wenn die alle in die Stadt auch rein pendeln und dann werden wir entweder noch viel, viel mehr Durchgangsverkehr auch in den anderen, in den Vororten haben oder wir müssen das Bussystem in einer Weise ausbauen, wie ist nicht möglich ist. Denn dann stehen ja die Busse sich auch immer mehr gegenseitig im Weg. Das heißt, das ist für mich ganz klar, dass das nur auf diesem Wege geht,

Ich glaube, wir brauchen dann irgendwann an der Stelle eine etwas Ehrlichkeit. Ich weiß das, dass viele da die Sorge haben, aber ich meine, wenn wir mal wirklich sachlich darüber nachdenken, wie eine gute Verkehrspolitik aussehen kann, dann ist ja gar nicht nachvollziehbar, warum die Schiene jetzt etwas so Fürchterliches sein soll. Alle anderen Städte zeigen uns, dass es nicht so ist. Alle wissenschaftliche Untersuchungen machen deutlich, wie komfortabel und gut man mit Straßenbahnen durch Städte kommen kann. Insofern bin ich gespannt, ob wir in der Lage sind, in der Politik so ehrlich und sachlich über eine über Verkehrspolitik zu sprechen. Das würde ich mir wünschen.